Neue Studie: LobbyControl warnt vor fortgesetztem Einfluss der Gasindustrie

Der Verein listet auf, wie die Unternehmen die Bedeutung für den fossilen Brennstoff festigen wollen. Auch eine Regierungsorganisation ist in der Kritik.

Wer im Reichstag ein und aus geht, kann seinen Einfluss auf die Politik geltend machen. Die Gasindustrie gibt dafür jährlich Millionen Euro aus.
Wer im Reichstag ein und aus geht, kann seinen Einfluss auf die Politik geltend machen. Die Gasindustrie gibt dafür jährlich Millionen Euro aus.Paul Zinken/dpa

Parteien und öffentliche Institutionen sollen sich künftig nicht mehr von Firmen sponsern lassen, die „fossile Geschäftsinteressen“ verfolgen. Das fordert der Verein LobbyControl und nimmt sich dabei eine Konvention der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Vorbild, die ein Sponsoringverbot durch die Tabakindustrie vorsieht. Zudem soll es Obergrenzen für Parteispenden und vor allem mehr Transparenz beim Sponsoring von Parteien geben.

Obwohl die Ampelkoalition den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen betreibt, gebe es für die Gasindustrie auch im Jahr 2023 immer noch immense Geschäftsfelder, sagte Christina Deckwirth, Mit-Autorin der Studie „Pipelines in die Politik“ über die Macht der Gaslobby, die am Mittwoch vorgestellt wurde. „Es gibt hier einen deutlichen Widerspruch zwischen politischer Notwendigkeit und aktuellem politischen Handeln“, so Deckwirth.

Auf 108 Seiten hat LobbyControl die Macht der Gaslobby in Deutschland untersucht. Demnach haben die 74 Unternehmen und 12 Lobbyverbände, die im Gasbereich tätig sind, im vorvergangenen Jahr 40 Millionen Euro für Kontaktpflege mit der Politik ausgegeben. Beschäftigt wurden 426 Personen in diesem Bereich. Mehr als 12 Millionen Euro gaben allein die Unternehmen Eon, Uniper, EnBW, RWE und Wintershall DEA aus. Für Gazprom und Gazprom-Töchter gibt es keine Angaben, da sie sich nicht ins Lobbyregister des Bundestages eingetragen haben.

LobbyControl: Mehr Transparenz im Umgang mit Lobbyisten

Obwohl die Verantwortung für die einseitige Abhängigkeit von russischem Gas bei den früheren Bundesregierungen liege, genieße die Gasindustrie auch heute noch „exklusive Sonderzugänge, die ausgewogene Politik gefährden“, sagte Deckwirth weiter. Die Regierung pflege nach wie vor einseitige Kontakte zur Gaslobby und zeige zu wenig Transparenz, was die Treffen mit deren Vertretern angehe. Die hätten sich unter der neuen Bundesregierung sogar vervielfacht.

LobbyControl fordert daher eine sogenannte Lobbyfußspur für den Gesetzgebungsprozess. Das heißt, dass auch der inhaltliche Einfluss auf Planungen transparent gemacht werden muss. Co-Autorin Nina Katzemich verwies in diesem Zusammenhang auf den Ausbau der LNG-Terminals, der viel zu überdimensioniert vorangetrieben werde. „Die Gaslobby inszeniert sich hier als Zukunftstechnologie und Partner der erneuerbaren Engergien“, sagte Katzemich. Dabei werde bewusst vernachlässigt, dass Gas ein fossiler und eben kein nachhaltiger Energieträger sei.

Konkret fordert der Verein, Parteispenden künftig auf 50.000 Euro pro Spender zu begrenzen, wobei Spenden ab 10.000 Euro sofort offenzulegen und Spenden ab 2000 Euro spätestens im Rechenschaftsbericht aufzulisten seien. Nach jetzigem Recht können Parteien Spenden in unbegrenzter Höhe empfangen. Ab einer Höhe von 10.000 Euro müssen Summe und Spender im jährlichen Rechenschaftsbericht aufgeführt werden. Spenden ab 50.000 Euro müssen allerdings sofort öffentlich gemacht werden.

Ein eigenes Kapitel widmet LobbyControl den Organisationen, die privilegierte Zugänge zur Politik haben. Dazu gehört auch die Deutsche Energieagentur (DENA). Sie ist ein bundeseigenes Unternehmen, das im Jahr 2000 von der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder gegründet wurde. Aufgabe der DENA ist es, die Regierung in energiepolitischen Fragen zu beraten. Stattdessen, so LobbyControl, fungiert sie als „Lobbykanal für Unternehmen“. Finanziert wird sie nach Angaben von LobbyControl allerdings nicht nur vom Bundeswirtschaftsministerium, sondern auch von privaten Geldgebern wie den Energiefirmen Uniper, Wintershall DEA, Eon oder Exxon Mobil.

Die DENA habe „politische Netzwerke und exklusive Foren“ geschaffen, in denen Forderungen von Unternehmen beim Wirtschaftsministerium eingebracht werden, schreiben die Autorinnen der Studie, Christina Deckwirth und Nina Katzemich: „Nichtregierungsorganisationen spielen in diesen Formaten meist nur eine Nebenrolle, weil sie – wenn überhaupt eingebunden – in der Minderzahl sind.“ Die DENA falle dabei durch ihre besondere Nähe zur Gaslobby auf. Immerhin habe sie nun selbst eine Arbeitsgruppe Transparenz gegründet und steht möglicherweise vor einer Neuausrichtung.

Die Studie befasst sich auch mit dem sogenannten Spurwechsel von Politikern, die vom Parlament oder von der Regierung direkt als Lobbyist zu Firmen oder Verbänden wechseln. Die Autorinnen fanden  mehr als 30 ehemalige Politikerinnen und Politiker, die nun in der Energiebranche tätig sind und ihre Kontakte in die Ministerien nutzen. Beispiele dafür finden sich in allen Parteien.