Lörrach: Dutzende Mieter sollen für Flüchtlinge ihre Wohnungen verlassen
Eine Wohnanlage in Baden-Württemberg soll bis zum Jahresende als Flüchtlingsheim dienen. Das sorgt für einen Shitstorm im Netz, doch die Stadt wehrt sich.

Der Shitstorm ist groß. Die städtische Wohnbaugesellschaft Lörrach macht sich gerade unbeliebt im Netz. Laut einem Brief an die Mieter sollen 40 Personen ihre Wohnungen in dem Komplex gekündigt werden. Warum? Weil dort 100 Flüchtlinge aus der Ukraine wohnen sollen.
Die Stadt hat die Echtheit des Schreibens bereits bestätigt. Auch der Geschäftsführer der Wohnbaugesellschaft Lörrach, Thomas Nostadt, bestätigt die Information. Demnach müssen die Bewohner der Wölblinstraße 21 bis 29 in Lörrach ihre Mietwohnungen verlassen, bekommen aber eine neue angeboten, heißt es in dem Brief.

Eingangs wird in dem Brief auf den „erheblichen Zustrom von Flüchtlingen aus der Ukraine und anderen Weltregionen“ hingewiesen. Die Stadt Lörrach und der Landkreis hätten sich zur Unterbringung von Flüchtlingen verpflichtet. Deshalb werde neben geplanten Flüchtlingsheimen nun „intensiv“ nach weiteren Standorten gesucht. Ein solcher Standort soll der Wohnkomplex in der Wölblinstraße sein. Ein großer Schock für die Mieter, denn ihnen wird „in Kürze“ das vereinbarte Mietverhältnis gekündigt, heißt es in dem Brief weiter.
Können die Mieter trotzdem aufatmen? Ein „alternativer, geeigneter Wohnraum“ werde angeboten, genauso wie Unterstützung beim Umzug, auch auf finanzieller Ebene. Etwas paradox an dem Schreiben ist, dass in Kürze erste Wohnungen für Flüchtlinge frei werden sollen, jedem einzelnen Mieter aber noch genug Zeit bleibe, „eine gute Lösung zu finden“. Schon zum Jahresende soll die gesamte Wohnanlage als Flüchtlingsunterkunft dienen.
Dass aufgrund der Flüchtlingsunterbringung Wohnungen geräumt werden, ist nicht neu. Der Geschäftsführer Nostadt verweist auf die Gretherstraße in der Kreisstadt, bei der 2015 und 2016 rund 100 Bewohner auf neue Wohnungen verteilt worden sind, um Platz für Geflüchtete zu machen. „Dies ist regelrecht geräuschlos abgelaufen“, so Nostadt in der Badischen Zeitung.
Es ist echt - allerdings ist der Hintergrund der Entscheidung wichtig. pic.twitter.com/CnEX1Ut64C
— Steffen Hennermann 🖖🏻💙💛 (@st_hennermann) February 21, 2023
Die Stadt wehrt sich
Die Stadt wehrt sich gegen die Empörungswelle. Die Wohnungen seien noch aus den 1950er-Jahren, weshalb ohnehin eine Sanierung hätte stattfinden müssen. Sanierung bedeutet in dem Fall, dass die Gebäude wegen ihres Zustandes in den kommenden Jahren erst abgerissen und dann neu gebaut werden müssen, heißt es in einer Mitteilung der Stadt. Die Wohnungen stünden „am Ende ihres Lebenszyklus“.
Zusammengefasst heißt das: Erst Kündigung der Langzeitmieter aufgrund fehlender Flüchtlingsunterkünfte; dann staatliche Zuschüsse für Flüchtlingsunterkünfte kassieren und daraus ein Flüchtlingsheim machen; danach Abriss und Neubau – sprich Luxussanierung. Was die Lage des Wölblinstraße betrifft, so ist sie neun Minuten Fußweg vom Ortskern entfernt und auch die Schweiz liegt in unmittelbarer Nachbarschaft.