Maria aus Griechenland: Suche nach den leiblichen Eltern

Nach ihren Eltern soll Maria bislang nicht gefragt haben. Man sollte wohl besser sagen, nach dem Paar, das Maria für ihre Eltern hält. Das blonde, blauäugige Mädchen, das griechische Polizeibeamte am Donnerstag vergangener Woche in einer Roma-Siedlung bei Farsala, auf halbem Weg zwischen Athen und Thessaloniki, fanden, wird derzeit in einer Klinik betreut und untersucht.

Sie sei bei guter Gesundheit, sagte ein Sprecher der griechischen Wohltätigkeitsorganisation „Kinderlächeln“ am Montag. Nur spreche Maria bislang kaum. Hinweise auf Missbrauch des Mädchens, das die griechische Presse „blonder Engel“ nennt, gibt es offenbar nicht.

Die vermeintlichen Eltern Marias, die 40-jährige Eleftheria D. und ihr ein Jahr jüngerer Mann Christos S., wurden inzwischen dem Haftrichter der zentralgriechischen Stadt Larisa vorgeführt. Das Roma-Paar hatte sich während einer Befragung durch die Polizei in Widersprüche verwickelt.

Einer Polizistin war das blonde Mädchen während einer Razzia in der Siedlung aufgefallen. Sie hatte keinerlei Ähnlichkeit mit ihren vorgeblichen Eltern oder Geschwistern. Das Paar behauptete zunächst, Maria habe einen kanadischen Vater, dann, dass sie das Kind seiner bulgarischen Mutter abgekauft hätten und schließlich, dass sie Maria vor einem Supermarkt gefunden hätten, berichtete die Tageszeitung taz am Montag.

Ein DNS-Test bestätigte inzwischen, dass es sich bei dem Paar nicht um Marias leibliche Eltern handelt, obschon ihre vermeintliche Mutter zwei gültige Familienstammbücher besaß, in die insgesamt zehn Kinder eingetragen waren.
Nach der zeitlichen Abfolge der Eintragungen hätte Eleftheria D. allerdings drei Kinder innerhalb von fünf Monaten und drei weitere innerhalb von drei Monaten zur Welt gebracht haben müssen. Ihr Mann soll noch ein zusätzliches Stammbuch besessen haben, in das vier weitere Kinder eingetragen waren.

Erste zahnmedizinische Untersuchungen des kleinen Mädchens ergaben am Montag, dass Maria fünf bis sechs Jahre alt sein muss. Zunächst war ihr Alter auf vier Jahre geschätzt worden.
Die Ermittler gehen nun von einer Entführung aus. Vermutet wird, dass Maria Opfer eines international operierenden Kinderhändlerrings geworden sein könnte. Ersten Erkenntnissen zufolge lebte das Mädchen seit 2009 in der Roma-Siedlung. Auch Interpol wurde eingeschaltet.

Die Anwältin des Paares erklärte, die biologische Mutter Marias habe das Kind freiwillig in die Obhut ihrer Klienten gegeben. „Ihre biologische Mutter, eine Ausländerin, wollte Maria nicht und entschied, sie loszuwerden“, sagte die Anwältin Marietta Palavra dem griechischen Fernsehsender Skai. Das Ehepaar, bei dem Maria lebte, habe Mitleid mit dem Mädchen gehabt und sich entschieden, es aufzuziehen.

Antonis Tsakiris, Vizepräsident der Panhellenischen Föderation griechischer Roma-Verbände (Poser), sagte Spiegel Online, der vorliegende Fall sei „einzigartig“ und sage nichts über die Roma Griechenlands im Allgemeinen aus: „Wir dürfen nicht Vorurteilen und Verzerrungen erliegen.“ Über das Paar habe er von Bekannten der angeblichen Kidnapper gehört, dass es das Kind gut behandelt und geliebt habe.

Am Montagabend veröffentlichte die griechische Polizei auch Bilder von Eleftheria D. und Christos S., bei denen Maria entdeckt wurde. Die Ermittler hoffen, dass sich die leiblichen Eltern des Kindes melden. Seit Donnerstag gingen offenbar bereits über 5000 Meldungen aus Griechenland und dem europäischen Ausland allein bei der Organisation „Kinderlächeln“ ein.

Der Handel mit Kindern ist bislang in keinem Land statistisch vollständig erfasst. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind es 1,2 Millionen Kinder, die jährlich weltweit verschoben werden. Neben dem Handel mit Waffen und Drogen ist der Menschenhandel einer der lukrativsten illegalen „Wachstumsmärkte“.

Deutschland hat die Bekämpfung des internationalen Menschenhandels lange behindert. Ein Übereinkommen des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels trat 2008 in Kraft. Die Bundesrepublik Deutschland hatte das Übereinkommen im November 2005 zwar unterschrieben, aber erst im Juni 2013 ratifiziert.