In der Maut-Affäre holt die Vergangenheit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ein. Anfang Dezember hatten Berliner Zeitung und Frontal 21 gemeinsam darüber berichtet, wie Scheuer als Staatssekretär des damaligen Verkehsministers Peter Ramsauer (CSU) einen Vorschlag des CDU-Politikers Willi Zylajew zurückgewiesen hatte.
Zylajew hatte einen besonderen Vorschlag für Scheuer: die Einführung einer „Ausländermaut“. Jener Plan, den er später mit einer 180-Grad-Wende zu seinem wichtigsten politischen Projekt machte – und der nun der Grund des Maut-Untersuchungsausschusses ist.
Scheuer wusste, dass „Ausländermaut“ rechtswidrig ist
Zylajew hatte der Berliner Zeitung von dem Brief zunächst nur berichtet. Das Dokument selbst hatte er allerdings nicht mehr finden können. Doch das Schriftstück befand sich ja im Bundesverkehrsministerium. Und aus den Archiven des Ministeriums befreite es nun das Magazin Focus mithilfe eines Informationsfreiheitsantrages. Der Brief liegt auch der Berliner Zeitung vor.
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Mitte Juli 2012 schreibt Scheuer: „Die Einführung einer Maut nur für ausländische Verkehrsteilnehmer wäre europarechtlich nicht zulässig.“ Ebenso entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Sommer 2019. Andreas Scheuer hatte da die Verträge allerdings schon unterzeichnet. Auch den Grund dafür, dass eine „Ausländermaut“ rechtswidrig ist, kannte Scheuer offensichtlich schon vor acht Jahren. So könne „die einseitige Mehrbelastung ausländischer Verkehrsteilnehmer im Bereich der Pkw-Maut faktisch einer Diskriminierung gleichkommen“.
So entschied auch der EuGH und deswegen sieht sich die Bundesrepublik nun 560 Millionen Euro an Schadensersatzforderungen gegenüber. Die fordert das Konsortium, das die rechtswidrige Maut im Auftrag von Scheuer erheben sollte.
Der verkehrspolitische Sprecher der FDP, Oliver Luksic, sagte der Berliner Zeitung: „Der Briefwechsel zeigt nicht nur, dass sich Scheuer über die rechtlichen Risiken der ,Ausländermaut’ im Klaren war, sondern auch, dass die Wirtschaftlichkeit eines solchen Modells von Anfang an nicht gegeben war.“
Anteil ausländischer Pkw liegt bei ca. 6,7 Prozent
Tatsächlich heißt es in Scheuers Brief von 2012 auch, dass die „Einnahmen von ausländischen Verkehrsteilnehmern bei Einführung einer Pkw-Vignette vergleichsweise gering wären“. Nach den damals verfügbaren Daten lag „der Anteil ausländischer Pkw am gesamten Personenverkehr auf deutschen Straßen bei ca. 6,7 %“. Und für Scheuer war damals entscheidend, „dass letztendlich mehr Geld für die Infrastruktur zur Verfügung steht“.
Spannend auch der Vermerk, der dort handschriftlich verzeichnet steht: „Rücksp. erforderlich, da BMVBS (Bundesinstitut für Bau-. Stadt- und Raumforschung, Anm. Red) medial eine andere Botschaft vermittelt“.