Merkel hat die Agrarwende verpasst

Eigentlich ist die Zukunftskommission eine gute Idee. Doch in einem Jahr soll sie die Probleme aus anderthalb Jahrzehnten aufarbeiten. Das wird nicht klappen.

Rinder sind von empfindsamer, aber nicht von rebellischer Natur – sonst hätte sich in deutschen Ställen wohl längst etwas verändert.
Rinder sind von empfindsamer, aber nicht von rebellischer Natur – sonst hätte sich in deutschen Ställen wohl längst etwas verändert.Foto: Boris Roessler/dpa

Berlin-Man kann Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Eigenschaft wahrlich nicht unterstellen: dass sie den Themen ihrer Zeit voraus wäre. Sie reagiert zu häufig erst, wenn es für vorausschauendes Handeln zu spät ist. So war es in der Flüchtlingspolitik, so ist es in der Klimapolitik, und so wiederholt es sich bei den Versuchen, die Landwirtschaft in Einklang mit den ökologischen Ressourcen dieses Landes zu bringen.

Die sogenannte Zukunftskommission, die an diesem Montag – im Beisein der Kanzlerin – ihre Arbeit aufgenommen hat, ist keine schlechte Idee. Bloß: Warum wird eine solche Kommission erst jetzt eingesetzt? Was gibt es, was wir nicht schon vor fünf oder zehn Jahren wussten über die Überdüngung, das Artensterben oder die Tier- und Menschenquälerei in der Massentierhaltung? Ebenso ist seit langem bekannt, unter welchem Druck die Agrarbetriebe stehen. Ihre Margen schrumpfen, Pachtraten steigen in schwindelerregende Höhen, und jede vermeintliche Rationalisierung durch neue Technik oder neuen Pflanzenschutz lastet ihnen neue Bürden auf.

Vier Legislaturperioden hatten Merkel und ihre wechselnden Landwirtschaftsminister Zeit. Wofür sie sich besonders stark machten, war eine Steigerung der Lebensmittelexporte, die inzwischen um zehn Milliarden Euro pro Jahr über den Importen liegen. Wenn dann die EU-Kommission nervte mit Strafzahlungen wegen zu viel Nitrat im Grundwasser, verhallte das ungehört wie Fliegengesumm am Schweinegesäß. Statt gestaltender Politik gab es bunte Gütesiegel und immer wieder den mahnenden Appell an die Verbraucher, für gute Lebensmittel auch gutes Geld zu zahlen.

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Bloß: Die Verbraucher tun das längst. In neun der letzten zehn Jahre lag die Preissteigerung für Nahrungsmittel über der allgemeinen Inflation. Proteste gab es keine. Die Verbraucher leisten ihren Beitrag. Die Landwirte auch. Die Bundesregierung verweigert ihn seit Jahren. Wenn die Zukunftskommission ihren Auftrag ernst nimmt, muss sie dieses Scheitern klar benennen.