Berlin-Die anhaltende Diskussion über die furchtbaren Zustände im Flüchtlingslager Moria zeigt Wirkung. Am Montag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in Aussicht gestellt, dass Deutschland doch mehr Menschen aufnehmen könnte als bisher geplant.
Das berichteten Teilnehmer der CDU-Präsidiumssitzung am Montag. Regierungssprecher Steffen Seibert bestätigte dies am Mittag in der Regierungspressekonferenz. Er erklärte, dass vor allem Familien mit Kindern in Deutschland Zuflucht finden sollen. Derzeit harren rund 13.000 Menschen auf der Insel Lesbos aus, nachdem das Flüchtlingslager Moria zum großen Teil abgebrannt ist. Die Brände wurden vermutlich von den Flüchtlingen selbst gelegt, um damit auf die unmenschlichen Bedingungen aufmerksam zu machen, unter denen sie seit Jahren leben. Deutschland hat sich bisher bereiterklärt, 100 bis 150 unbegleitete Minderjährige aus Moria aufzunehmen.
Seibert sagte am Montag, dass aber noch keine genaue Zahl existiere, wie viele Menschen aus Lesbos nach Deutschland kommen. Es gebe innerhalb der Bundesregierung Gespräche dazu. Bis Mittwoch solle eine Entscheidung fallen und die exakten Zahlen sollen dann vom Kabinett beschlossen werden.
Genaue Zahlen nannte auch die SPD-Vorsitzende Saskia Esken am Montag nicht. Sie hatte noch am Sonntagabend im ZDF gefordert, dass es „ein hoher vierstelliger Betrag“ an Flüchtlingen sein und dies zudem noch am Montag entschieden werden müsse. Wenige Stunden später war davon nicht mehr die Rede. Nach der Sitzung des SPD-Präsidiums forderten die Parteivorsitzenden, dass „innerhalb von 48 Stunden“ festgelegt werden soll, wie viele Menschen aus Lesbos in Deutschland Zuflucht finden und wohin sie verteilt werden. Das deckt sich nun mit dem Zeitplan der Kanzlerin. „Es geht um einen substanziellen Beitrag, den Deutschland in jedem Fall zu leisten hat“, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz am Montag.
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Die SPD fordert außerdem eine bundesweite Initiative für die Aufnahme von Migranten aus Moria. „Wir wollen, dass Deutschland durch ein Aufnahmeprogramm des Bundes einem maßgeblichen Anteil dieser geflüchteten Menschen schnell, organisiert und kontrolliert Aufnahme, Schutz und Perspektive bietet“, heißt es in einer am Montag in Berlin beschlossenen Resolution des SPD-Parteivorstands. „Allein 400 unbegleitete Kinder auf mehrere EU-Staaten zu verteilen und davon 150 nach Deutschland zu bringen, ist völlig ungenügend“, machte die SPD-Spitze deutlich.
Einigkeit herrscht unter den Koalitionspartner offenbar auch darüber, dass Moria und auch andere Flüchtlingszentren auf den griechischen Inseln unter europäische Verantwortung gestellt werden könnten. Damit wären nicht mehr die griechischen Behörden allein für Unterbringung und Versorgung zuständig, sondern alle 27 EU-Staaten. Konkret wäre dies eine Aufgabe der EU-Kommission, die auf europäischer Ebene die Exekutive, also die Aufgabe einer Regierung, wahrnimmt. Von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war in dieser Hinsicht in den vergangenen Tagen nichts zu hören. Dabei ist es der geplatzte Flüchtlingsdeal zwischen der Türkei und der Europäischen Union, der die Ursache für die immer weiter gestiegenen Zahlen in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln ist.
Die CDU verweist immer wieder darauf, dass es keinen politischen Alleingang Deutschlands geben dürfe. So sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU), am Montag der Deutschen Presse-Agentur, dass die „Übernahme von Migranten und Flüchtlingen von den europäischen Außengrenzen“ eine Ausnahme in der aktuellen Notsituation bleiben müsse. „Eine Situation wie 2015 darf sich nicht wiederholen.“ Die anderen Europäer dürften nicht den Eindruck gewinnen, Deutschland kümmere sich um die Flüchtlinge schon allein.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt dagegen forderte den CSU-Innenminister Horst Seehofer auf, aktiv zu werden: „Vielleicht muss man ihn einmal daran erinnern, dass wir gerade die EU-Ratspräsidentschaft haben. Es geht nicht um einen Alleingang, es geht um Vorangehen“, sagte Göring-Eckardt dem Bayerischen Rundfunk.
Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) reist an diesem Dienstag nach Athen, um sich über die Lage in den Flüchtlingslagern zu informieren. Nach Treffen mit Vertretern von UN-Hilfsorganisationen will Geisel nach Angaben eines Sprechers „in ein Flüchtlingslager in der Nähe von Athen fahren, um zu schauen, wie die Situation in den Lagern auf dem Festland ist“.
Griechenlands Migrationsminister Notis Mitarakis forderte unterdessen alle obdachlosen Migranten auf Lesbos dazu auf, umgehend das neue, provisorische Zeltlager zu beziehen. Dies sei ihre Pflicht. „Ab kommenden Montag werden Asylverfahren nur für jene bearbeitet, die im Lager sind“, sagte er in einem Interview.