Proteste gegen Putin begleiten Start des Ukraine-Gipfels

In Paris hat der Russland-Ukraine-Gipfel begonnen - erstmals sprechen der russische Präsident Wladimir Putin und das ukrainische Staatsoberhaupt Wolodymyr Selenskyj direkt miteinander.   

Paris-Getrennt sind am Montagnachmittag Russlands Präsident Wladimir Putin und Ukraines Staatschef Wolodymyr Selenskyj in Paris eingetroffen. Begrüßt wurden sie von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel den Friedensprozess in der Ost-Ukraine wieder in Gang bringen will. Einen Gipfel dieser Art hatte es zuletzt vor gut drei Jahren in Berlin gegeben. In den ostukrainischen Regionen Donezk und Luhansk kämpfen ukrainische Regierungstruppen mit prorussischen Separatisten. Rund 13 000 Menschen sind nach UN-Schätzung bisher umgekommen.

Russlands Präsident Wladimir Putin begrüßt den Gastgeber des Russland-Ukraine-Gipfels, Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron. 
Russlands Präsident Wladimir Putin begrüßt den Gastgeber des Russland-Ukraine-Gipfels, Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron.

Begleitet wurde der Auftakt des Gipfels von Protesten von Femen-Aktivistinnen. Zwei halbnackte Frauen hatten  vor dem Präsidentenpalast demonstriert. Eine Aktivistin wurde  von Polizisten umringt und direkt vor der Einfahrt des Élyséepalasts abgeführt, wie ein dpa-Reporter berichtete. „Stoppt Putins Krieg. Putin ist kein Vermittler für den Frieden, er ist ein Kriegspropagandist!“, hieß es auf der Facebook-Seite der Organisation über den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Auf Videos war zu sehen, wie eine der beiden Aktivistinnen von einem Sicherheitsmann auf den Boden gedrückt wurde, bevor mehrere Sicherheitskräfte sie abführten. Die zweite Aktivistin wurde ebenfalls von Sicherheitskräften verfolgt. „Während Femen alle Friedensprozesse unterstützt, können wir nicht schweigen, wenn in Frankreich ein so einflussreicher Diktator wie Putin empfangen wird“, schrieb die Organisation weiter über ihre Aktion.

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Wolodymyr Selenskyj, Staatsoberhaupt der Ukraine, trifft in Paris ein. 
Wolodymyr Selenskyj, Staatsoberhaupt der Ukraine, trifft in Paris ein.

Außenminister Heiko Maas: Kein Grund, Sanktionen gegen Russland aufzuheben

Vor dem Spitzentreffen rief Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) zur Befriedung der Ukraine auf. Der Konflikt im Osten des Landes sei „eine seit Jahren schwelende Wunde in Europa“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Selenskyj habe mit mutigen Schritten eine neue Dynamik in Gang gebracht. „Um bei den schwierigen nächsten Schritten voranzukommen, muss auch Russland sich bewegen“, forderte Maas. Am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel sagte er mit Blick auf den Gipfel, dass er kaum Chancen sehe, dass die Sanktionen gegen Russland bereits Ende Januar auslaufen könnten. Bislang gebe es aus seiner Sicht keine Veränderungen, aus denen man Konsequenzen ziehen könne. „Wir werden das, was wir bisher für richtig gehalten haben, jetzt erst einmal fortsetzen. Das heißt die Sanktionen verlängern, wenn die Gründe, die zu den Sanktionen geführt haben, weiterhin bestehen“, erklärte Maas.

Es müsse nun eine „russische Antwort“ auf Selenskyj geben, hieß es aus Kreisen von Macrons Präsidialamt. Putin und Selenskyj treffen sich in der französischen Hauptstadt zum ersten Mal persönlich. Allein das wird von den Gastgebern schon als Erfolg gebucht.

Der Gipfel wird auch als „Normandie-Treffen“ bezeichnet, weil es die erste Zusammenkunft dieser Art im Juni 2014 in der Normandie gab. Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff rief Deutschland und Frankreich zu geschlossenem Handeln auf. „Wer den Krieg in der Ostukraine beenden will, muss entschlossen sein und abgestimmt handeln“, sagte Lambsdorff der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Merkel und Macron „müssen sich rechtzeitig zum Normandie-Gipfel zusammenraufen“.

In den vergangenen Wochen hatte es immer wieder Meinungsverschiedenheiten zwischen Paris und Berlin gegeben. So bescheinigte Macron der Militärallianz Nato den „Hirntod“ - was in Berlin zurückgewiesen wurde. Der Herr des Élyséepalastes verhinderte zudem beim jüngsten EU-Gipfel die Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien und Albanien - das stieß in Berlin und anderen Hauptstädten auf Missfallen.

Selenskyi warnt vor zu großen Erwartungen

Selenskyj warnte vor dem Gipfel vor überhöhten Erwartungen. „Der Krieg in Donbass wird nicht am 10. Dezember enden“, schrieb seine Sprecherin Julia Mendel bei Facebook. Seit dem Normandie-Gipfel 2016 seien fast keine Fortschritte erzielt worden. Selenskyj steht auch innenpolitisch unter Druck. Am Sonntag demonstrierten in Kiew rund 2000 Menschen gegen Kompromisse bei den Verhandlungen zugunsten von Moskau.

Kiew will die Kontrolle über den ukrainisch-russischen Grenzabschnitt zurück, der von prorussischen Separatisten kontrolliert wird. Diese werden von Moskau unterstützt. Zudem fordert die Ukraine einen weiteren Gefangenenaustausch und einen Waffenstillstand. Ein Friedensplan, der 2015 in der weißrussischen Hauptstadt Minsk ausgehandelt wurde, liegt auf Eis. Macrons Gipfel-Gäste erleben Paris in einer angespannten Atmosphäre. Denn es werden in der Hauptstadt und im ganzen Land wieder massive Behinderungen im öffentlichen Verkehr erwartet. Grund sind die Streiks gegen die geplante Rentenreform.

Russland verteilt Pässe im Osten der Ukraine

Russland schafft unterdessen in den Ost-Provinzen Tatsachen. Rund 160 000 Menschen aus den von Separatisten kontrollierten Teilen der Ostukraine haben nach Darstellung Moskaus seit April die russische Staatsbürgerschaft beantragt. Davon hätten bereits rund 125 000 Ukrainer einen russischen Pass bekommen, teilte das Innenministerium in Moskau unmittelbar vor dem Ukraine-Gipfel in Paris am Montag mit. Durch ein vereinfachtes Verfahren und dem Abbau bürokratischer Hürden für Bürger aus den umkämpften Gebieten Luhansk und Donezk ist es seit dem Frühjahr leichter, Russe zu werden. Präsident Wladimir Putin hatte einen entsprechenden Erlass im April unterzeichnet. Die Ukraine protestierte dagegen und will diese Pässe nicht anerkennen. Kiew bietet im Gegenzug politisch verfolgten Russen die ukrainische Staatsbürgerschaft an. Wie viele Russen dies bislang beantragt haben, war zunächst nicht bekannt.