Merkel und Trump: Die Wissenschaftlerin und der Schaumschläger

Berlin - Die Optimisten unter den deutschen Außenpolitikern sagten, so schlimm werde schon nicht kommen. Die Pessimisten dagegen sagten, es werde schlimmer kommen als befürchtet. Heute, ein Jahr nach Amtsantritt des US-Präsidenten Donald Trump, lässt sich feststellen: Beide hatten Recht. Die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA gibt es noch. Es hätte schlimmer kommen können. Aber gut sind sie eben auch nicht, ganz und gar nicht gut. 

Donald Trump ist unberechenbar

Das Hauptproblem ist weniger die persönliche Chemie zwischen den Regierungsmitgliedern in Washington und in Berlin. Da herrscht Professionalität vor. Es ist das immer noch anhaltende Staunen über die Unberechenbarkeit Trumps, die zielorientiertes Miteinander erschwert bis ganz unmöglich macht.

So einen US-Präsidenten wie Trump hat noch kein deutscher Regierungschef seit der deutschen Einheit vor mehr als einem Vierteljahrhundert erlebt. Bush Vater stellte zwar ebenso wie Bill Clinton, Bush Sohn und Barack Obama die US-Interessen in den Mittelpunkt seiner Politik. Das ist legitim. Wer anderes wollte, würde in den USA niemals zum Präsidenten gewählt. Aber im Vergleich zu Trump waren seine Vorgänger geradezu Musterknaben, wenn es um Einsicht ging und internationale Zusammenarbeit. Sie haben vielleicht auch „America first“ mitunter im Sinn gehabt, aber diesen Slogan nicht zum einzigen Punkt ihrer Präsidentschaft gemacht.

Wissenschaftlerin Merkel und Schaumschläger Trump

Die Bundesregierung hat sich im ersten Jahr des Trump-Zeitalters mit der Unberechenbarkeit des immer noch mächtigsten Politikers der Welt geplagt. Was Trump heute sagt, kann morgen schon nicht mehr gelten – oder doch. Einmal lobt er die Deutschen, dann wieder kritisiert er sie mit derben Worten. Auch das war und ist der Grund, warum die rational handelnde, mit Detailwissen beladene Wissenschaftlerin Angela Merkel mit dem schaumschlagenden Polterer Donald Trump nicht warm geworden ist – und es auch nicht mehr werden dürfte.

Botschafter Richard Grenell als Trump-Sprachrohr

Eine Ebene tiefer sieht es nicht besser aus. Trumps Minister haben keine Prokura. Das erlebte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), wann immer er auf seinen Amtskollegen Rex Tillerson traf – ein Ansprechpartner, der in Wirklichkeit keiner ist. Einen Botschafter, der Trumps Politik für die Deutschen übersetzte, gibt es seit knapp einem Jahr nicht mehr in Berlin. Niemand kann momentan sagen, wann Trumps Kandidat Richard Grenell in der US-Botschaft am Brandenburger Tor einziehen, und ob er dann ein Botschafter sein wird, der Trump diplomatisch geschickt interpretiert oder doch nur als sein verlängertes Sprachrohr auftritt. Grenells bisherige Äußerungen sprechen eher für die zweite Variante.

Zumindest, was die Beziehungen zu den USA unter Trump angeht, hat Bundeskanzlerin Merkel im Mai vergangenen Jahres sehr nüchtern in einer Bierzelt-Rede am Rande von München resümiert: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei. Und deshalb kann ich nur sagen: Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen.“ Trump wird Merkel die Europäer und die Deutschen dabei möglicherweise gar nicht stören. Denn sein Interesse an fremden Ländern ist beschränkt. 

Dabei gäbe es dort etwas zu lernen. Der frühere US-Botschafter in Berlin, Philip Murphy, ein US-Demokrat freilich, sagte jetzt, vorbildlich in Deutschland sei die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Gewerkschaften, die Kontrolle über Waffen in Privathänden und das Gesundheitssystem. 

Sondergewinne dank Trumps Steuerreform

War jetzt alles nur schlecht im ersten Jahr Trumps? Nein. Immerhin erwarten deutsche Autobauer hohe Sondergewinne wegen Trumps Steuerreform. Vor seinem Amtsantritt zog der Populist noch durch die amerikanischen Lande und kündigte an, er werde Einfuhrzölle für ausländische Produkte in einer Höhe erheben,  die den Exporteuren aus dem finsteren Ausland die Tränen in die Augen treiben würden. Auch hat sich Trump noch nicht dabei erwischen lassen, wichtige Partner wie Deutschland als „Drecksloch-Länder“ zu beschimpfen.

Das ist schon etwas, immerhin. Für eine endgültige Schadensbilanz ist es allerdings noch entschieden zu früh. Trumps Amtszeit läuft noch drei Jahre.