„MeTwo“: Hashtag auf Twitter löst Debatte über Alltagsrassismus aus
Auf der Straße, im Büro, beim Sport: Menschen mit Migrationshintergrund erleben Alltagsrassismus, ständig, immer wieder und immer noch. Wie das konkret aussieht, in welchen Situationen Betroffene diesen Rassismus erfahren und erleben, kann man aktuell nachlesen – auf Twitter. Tausende Menschen berichten unter dem Hashtag „MeTwo“ über ihre Erlebnisse mit Rassismus und Diskriminierung im Alltag.
Erfinder des Hashtags ist der Journalist Ali Can, der selbst einen Migrationshintergrund hat und der am Dienstag auf seinem Twitter-Kanal ein Video publizierte, in dem er über seine Erfahrungen mit Diskriminierung berichtete und Nutzer dazu aufrief, ihre eigenen Erlebnisse zu schildern. Hintergrund der Aktion ist Mezut Özil, der dem Deutschen Fußballbund und den Medien Rassismus vorwarf und damit eine Debatte über Integration und Rassismus in Deutschland ausgelöst hat.
Can, der Initiator der Twitter-Aktion, ist auch Gründer der „Hotline für besorgte Bürger“. Unter einer Telefonnummer können sich dort Menschen melden, die die zunehmende Zahl von Flüchtlingen ängstigt. Can sucht den Dialog und will damit gegen Vorurteile und Alltagsrassismus kämpfen.
Zwei verschiedene Kulturen
Die Aktion selbst erinnert zum einen an den Hashtag „MeToo“, unter dem Frauen bei Twitter über Alltagssexismus berichteten. Zum anderen nimmt er Bezug auf Özils Statement, er habe zwei Herzen, ein türkisches und ein deutsches, lebe also mit zwei verschiedenen Kulturen. „Weil ich mehr bin als nur eine Identität“, erklärt Can in seinem Video die Zahl „zwei“ im Hashtag, „die zwei Seiten verschmelzen, sie stehen nicht im Widerspruch“. Unsere Gesellschaft sei keine Monokultur, betont Can.
Es sind Geschichten wie die von Miriam, die aufzeigen, wie tief Ressentiments gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland verwurzelt sind. Miriam, heute Chefredakteurin des Splash!-Magazins, erzählt, dass sie in der vierten Klasse auf die Hauptschule geschickt werden sollte – als Klassenbeste. Damit sie „unter Gleichgesinnten“ sei. Eine Bekannte griff ein, Miriam konnte doch auf das Gymnasium und wurde auch dort Klassenbeste
Das ist lange her, Ressentiments erlebt sie auch heute noch. Erst kürzlich suchte sie eine Wohnung und bekam monatelang nur Absagen, schreibt die junge Frau mit den dunklen langen Haaren. Als sie sich mit ihrem blonden Freund mit deutschen Namen bewarb, bekam sie innerhalb einer Woche drei Zusagen.
Der marokkanische Kabarettist Abdelkarim erzählt von einem Vorfall im Supermarkt. Als er einen älteren Mann an der Kasse in der Schlange vorlassen wollte, erwiderte dieser: „Nein danke, ich habe dich lieber im Blick.“ Es gibt einen Tweet von einem Mann, der von dem ersten Besuch bei der Familie seiner damaligen Freundin schreibt. Die Mutter sagt zu ihr: „Für einen Ausländer ist er ja unglaublich höflich.“
Die Autorin und Journalistin Hatice Akyün twitterte am Freitag, dass sie all ihre Tweets zum Thema inzwischen gelöscht hätte, da sie die Reaktionen darauf nicht mehr ertragen könne. „Wie armselig muss man sein, auf Rassismus mit Rassismus zu antworten?“, fragte sie.
Auch Außenminister Heiko Maas (SPD) äußerte sich. Es sei beeindruckend und schmerzhaft zugleich, zu sehen, „wie viele Menschen hier ihre Stimme erheben“, schrieb er bei Twitter. „MeTwo“ habe aber nicht nur mit Alltagsrassismus zu tun, sagte der Minister. „Gerade der flapsige Spruch bei der Arbeit oder die verächtliche Geste in der Bahn können manchmal schmerzhafter sein als die platten Parolen von Halbstarken mit Glatzen“, schrieb er weiter.
Justizministerin Katarina Barley (SPD) erklärte, dass die Aktion bei Twitter eindrucksvoll zeige, wo wir stünden. „Ausgrenzung, Hass und der ganz alltägliche Rassismus gehen uns als ganze Gesellschaft an“, betonte die SPD-Politikerin.