Migrationsexperten: Deutschland soll Gesetzbuch für Einwanderung bekommen
Berlin - Ein Einwanderungsgesetz war in Deutschland lange Zeit ein Tabu. Union und SPD wollen in dieser Legislaturperiode aber zumindest einen Gesetzentwurf vorlegen, der die Zuwanderung von Fachkräften regeln soll. Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) begrüßt das, allerdings schlägt er eine Erweiterung des künftigen Gesetzes vor.
Forscher: Rechtlicher Rahmen allein genügt nicht
Er fordert von der Regierung, die Debatte über Zuwanderung transparent zu führen. „Gerade in Feldern wie Migration und Integration, die gesellschaftlich oft sehr emotional diskutiert werden, können sich staatliche Aktivitäten nicht darin erschöpfen, einfach einen widerspruchsfreien, rechtlichen Rahmen bereitzustellen“, sagte Thomas Bauer, Vorsitzender des Rates, am Dienstag bei der Vorstellung des Jahresgutachtens in Berlin.
Für die Migrationspolitik empfiehlt der Rat ein Einwanderungsgesetzbuch, das die bestehenden Regelungen zusammenfassen und vereinfachen würde, damit sie für Personen im In- und Ausland verständlicher wären. Zudem könnte solch ein Gesetz innerhalb der Gesellschaft eine Selbstvergewisserung in Gang setzen und nach außen signalisieren, dass sich Deutschland selbst als Einwanderungsland empfinde.
Nicht-akademische Einwanderer haben es schwer
Defizite sieht der Rat zurzeit besonders bei den Regelungen für die Einwanderung nicht-akademischer Fachkräfte aus Staaten außerhalb der EU. Während Zuwanderer mit einem akademischen Abschluss oder Studenten in Deutschland viele Perspektiven hätten, müssten die Möglichkeiten für Nicht-Akademiker ausgebaut werden. „Der Gleichwertigkeitsnachweis stellt für viele eine zunächst kaum zu überwindende Barriere dar, denn die in Deutschland etablierten Ausbildungsstrukturen sind im Ausland kaum verbreitet“, so Bauer.
Der SVR schlägt dazu das Pilotprojekt „Nimm2+“ vor. Voraussetzung für eine Einwanderung bleibe immer ein Arbeitsvertrag bei einem deutschen Unternehmen.
Doch anstelle des Gleichwertigkeitsnachweises, der die berufliche Qualifikation im Ausland bestätigt und dem Nachweis, dass es sich um einen Mangelberuf handelt, könnten dann flexibel zwei weitere Kriterien hinzugefügt werden – wie etwa ein Sprachnachweis oder ein vorheriger Aufenthalt in Deutschland.
Vorbild duale Ausbildung
Auch Ausbildungspartnerschaften mit Drittstaaten seien sinnvoll. „Über eine verbesserte Zuwanderungsregelung für bereits Qualifizierte hinaus könnte Deutschland langfristig mit Ausbildungspartnern anderer Länder dabei unterstützen, mit deutschen Standards vergleichbare Strukturen der dualen Ausbildung aufzubauen“, sagte Bauer.
„Davon würden diese Länder profitieren. Damit wäre es außerdem für Absolventinnen und Absolventen dieser Ausbildungsgänge leichter, die Gleichwertigkeit ihrer Berufsausbildung nachzuweisen, falls sie sich dafür entscheiden, nach Deutschland zu ziehen.“ Denkbar sei auch, junge Schulabgänger dazu anzuregen, für eine Ausbildung nach Deutschland zu kommen und ihnen somit unter die Arme zu greifen, sagte Bauer weiter.
Deutschland auf Zuwanderung angewiesen
Deutschland dürfe nicht restriktiv handeln, da das Land aufgrund des demografischen Wandels auf Zuwanderung angewiesen sei.
Der Rat betonte jedoch, dass ein Einwanderungsgesetz kein „Allheilmittel“, sondern lediglich ein Faktor von vielen sei. „Gesetze sind wichtige Instrumente, Migration und Integration zu gestalten, die einzigen sind sie sicher nicht“, so Bauer.
Die Experten warnten daher vor zu hohen Erwartungen an das Gesetz. Es handle sich nun einmal um Verhaltensweisen von Menschen und nicht um Maschinen, die sich nicht immer steuern und regeln ließen.