Miss-Wahlen: Die Geschichte der Schönheitswettbewerbe

Ende des 19. Jahrhunderts noch galt die Zurschaustellung nackter Haut in der Öffentlichkeit als handfester Skandal. So verwundert es nicht, dass die erste europäische Schönheitskönigin vor 130 Jahren im belgischen Heilbad Spa hinter verschlossenen Türen gewählt wurde.

350 junge Damen waren am 19. September 1888 dem Aufruf des mondänen Kurorts in den Ardennen gefolgt und hatten ihr Foto für einen „Concours de Beauté“ eingesandt, 21 Kandidatinnen kamen in die Endausscheidung und wurden nach Spa eingeladen. Sie wohnten in einem fürs Publikum unzugänglichen Gebäude und fuhren in geschlossenen Wagen abgeschottet zur Galaveranstaltung im Kursaal. Eine ausschließlich aus Männern bestehende Jury begutachtete und befragte die Kandidatinnen vor zahlenden Gästen.

Mit Exotik konnte die 18-jährige Marthe Soucaret punkten, die in Paris lebende Kreolin aus Guadeloupe wurde zur schönsten Frau gewählt. Ihre Siegprämie betrug stattliche 5000 Francs – mehr als das zu jener Zeit übliche Jahresgehalts eines Fabrikarbeiters.

Im Kaiserreich dauerte es bis 1909

Spa hatte ein neues Spektakel gefunden, um den Tourismus anzukurbeln. Die Idee für die ersten Schönheitswettbewerbe stammte jedoch aus den USA. Schon 1854 stellte der Zirkuspionier Phineas Taylor Barnum die schönsten Frauen zur Wahl, zunächst scheiterte er aber an den prüden Moralvorstellungen.

Erst als sich die puritanischen Ansichten zu lockern begannen, fand 1880 in dem Strandort Rehoboth Beach in Delaware eine Wahl zur „Miss United States“ statt. In der Folge avancierten ähnliche Wettbewerbe in verschiedenen Badeorten der amerikanischen Ostküste zu den Höhepunkten der Sommersaison.

Im deutschen Kaiserreich dauerte es noch bis 1909, ehe die erste Schönheitskonkurrenz über die Bühne ging. In Hamburg konkurrierten Kandidatinnen aus 36 Ländern um den Titel der „Miss Universum“. Die Anwärterinnen stellten sich singend und hochgeschlossen dem Urteil des Publikums. Die in Ostpreußen geborene Zigarettenverkäuferin Gertrud Dopieralski war vom Direktor des Berliner Kabaretts „Chantant“ in einem Königsberger Vergnügungspark entdeckt worden und neben ihrem neuen Engagement auch gleich für die von ihm organisierte Schönheitswahl verpflichtet worden. Die erbosten Konkurrentinnen vermuteten ein abgekartetes Spiel, versteckten Dopieralskis Kleider und kippten Spiritus in ihre Schminke. Die 20-Jährige gewann trotzdem.

Die Misswahlen wurden immer populärer

Die nächsten Schönheitswettbewerbe in Deutschland fanden dann erst wieder 1927 statt. Im Berliner Sportpalast wurde das „Fräulein Deutschland“ ermittelt. In der Jury saßen Prominente wie der Schriftsteller Heinrich Mann, der Maler Max Pechstein und der Regisseur Fritz Lang. Aus dem Kreis der 50 Kandidatinnen ging die 21-jährige Hildegard Kwandt als Siegerin hervor. Um die Veranstaltungen seriöser zu vermarkten und zu professionalisieren, wurde 1928 der „Reichsverband für Schönheitswettbewerbe e. V.“ gegründet.

In den Folgejahren wurden Misswahlen immer populärer, 50 Städte-Siegerinnen reisten zur nationalen Entscheidung nach Berlin. Die Gewinnerin durfte in den USA an der Wahl der Miss Universum teilnehmen. Doch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten war damit abrupt Schluss, die Schönheitswettbewerbe wurden als „jüdisch-bolschewistisch und dekadent“ diffamiert und verboten. Stattdessen sollten lokal begrenzte Wahlen von Ernte-, Heide- und Weinköniginnen abgehalten werden.

Die gleichgeschaltete „Berliner Illustrierte Zeitung“ ätzte über die Miss-Europa-Wahlen von 1933, keiner der Kandidatinnen könne man ansehen, welches Land oder Volk sie repräsentiere: „Man kann es begrüßen, dass Deutschland in Zukunft dieser ,Miss-Wirtschaft‘ den Rücken kehren will.“ Miss-Wahlen fanden erst wieder nach dem Krieg statt. Den Titel der ersten Miss Germany erhielt Inge Löwenstein, in den 50er Jahren wurden die Gewinnerinnen wie Filmstars gefeiert. Auch Proteste der 68er-Generation und der Frauenbewegung gegen die „Fleischbeschau“ konnten die Popularität der Veranstaltungen nicht schmälern. Mittlerweile konkurrieren sechs große Wettbewerbe um die Schönsten, darunter die Miss World, Miss Universe und Miss Earth.

In der DDR blieben Schönheitswettbewerbe wegen der „Erniedrigung und Ausbeutung der Frau durch den Kapitalismus“ geächtet. Dennoch kam es in den 80er Jahren auch dort zu Misswahlen, die als Kulturveranstaltungen getarnt wurden. Gekürt wurden Miss Berlin, Miss Frühling oder Miss Sommer. Am 21. September 1990 fand dann die erste und einzige offizielle Wahl einer „Miss DDR“ statt. In Schwerin errang Leticia Koffke die Siegerkrone. „Eigentlich habe ich nur aus Jux und Tollerei dabei mitgemacht“, erinnert sich die Brandenburgerin. Die damals 19-Jährige war nicht nur Vize-Miss Brandenburg und Miss DDR, sondern wurde im Dezember 1990 auch zur schönsten Frau des wiedervereinigten Deutschlands gewählt. Damit war die gelernte Krankenschwester die erste gesamtdeutsche Beauty-Queen seit 57 Jahren.

Dieses Jahr findet das Miss-World-Finale übrigens am 9. Dezember im chinesischen Sanya statt. Dabei wird die letztjährige Gewinnerin, Manushi Chhillar aus Indien, ihre Nachfolgerin küren.