Nach dem G20-Gipfel: Extremisten sollen europaweit erfasst werden
Berlin - Der Regierungssprecher war ein bisschen ratlos. „Wir haben immer gesagt, dass der Gipfel sicherheitstechnisch eine Herausforderung ist“, sagte Steffen Seibert am Montag. Und auf die Frage, wie sich die brutalen Krawalle hätten verhindern lassen, erwiderte er: „Da bin ich als Regierungssprecher überfordert.“ Die Debatte allerdings, was nun zu tun sei, die lief am Montag natürlich auf Hochtouren. Und sie lief auf mehreren Ebenen.
De Maizière: „Geltendes Recht durchgesetzt“
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) riet Kritikern der Polizei zunächst einmal, sich mit Vorhaltungen zurück zu halten. Mit Blick auf das frühe Eingreifen der Beamten gegen Vermummte am Donnerstagabend sagte er, diese erfüllten einen gesetzlichen Auftrag. Und: „Die Durchsetzung geltenden Rechts ist keine Provokation.“
Im Gegenteil, so der CDU-Politiker: „Wer Vermummte schützt, macht sich mitschuldig.“ Er unternahm auch nicht den Versuch, dem Hamburger Senat den Schwarzen Peter zuzuschieben – wenngleich Polizeiarbeit Ländersache ist. Es habe vielmehr eine gemeinsame Lagebeurteilung gegeben. Und man habe alle Informationen geteilt.
Überhaupt blieb die Bundesregierung bei ihrer Linie, dass es richtig gewesen sei, den Gipfel in Hamburg durchzuführen – schon weil man es nicht Gewalttätern überlassen dürfe, das zu bestimmen. Diese, erläuterte de Maizière, hätten sich bis zu zwei Jahre lang auf den Gipfel vorbereitet und zum Beispiel Zwillen separat eingeführt, um an der Grenze nicht erwischt und gestoppt zu werden. „Alles war organisiert.“
Europaweite Extremistendatei gefordert
Abgesehen von diesen allgemeinen Erwägungen beim Blick zurück gab es den Blick nach vorn, der sich im Wesentlichen auf drei Aspekte konzentrierte. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl forderte: „Wir brauchen eine umfassende Extremistendatei, und zwar europaweit.“ Andere Sozialdemokraten taten es ihr gleich. De Maizière sagte dazu, in Deutschland gebe es eine solche Datei bereits; auch habe man sich mit den Sicherheitsbehörden anderer EU-Länder vor dem Gipfel ausgetauscht. „Eine europäische Datei halte ich für sinnvoll“, fuhr der Minister fort – vorausgesetzt, sie folge gleichen Kriterien. Allein die Linksfraktion im Bundestag widersprach. „Die Forderung nach einer Datensammlung zu europäischen Extremisten ist rechter Populismus. Dahinter steckt der Wunsch nach einer europaweiten Kriminalisierung von linkem Aktivismus“, kritisierte ihr europapolitischer Sprecher Andrej Hunko.
Debatte über rechtsfreie Räume
Im Übrigen erheben führende CDU-Politiker die Forderung, Zentren der autonomen Szene wie die Rote Flora in Hamburg oder die Rigaer Straße in Berlin stärker zu beobachten oder gleich ganz dicht zu machen.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner erklärte, der Linksextremismus sei von SPD, Grünen und Linkspartei verharmlost worden. Und es sei inakzeptabel, dass rechtsfreie Räume wie die Rote Flora oder die Rigaer Straße toleriert würden. „Das sind Biotope, in denen die Gewaltexzesse vorbereitet werden.“ Sie müssten geräumt, „die Politik der falschen Toleranz muss beendet werden“. Lindner plädierte zudem dafür, das „Unterstützerumfeld bis hinein ins bürgerliche Lager, etwa auch sympathisierende Anwaltskanzleien“, vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen.
Kein Wort zur Roten Flora
De Maizière hielt sich an dem Punkt zurück. Er unterstrich lediglich allgemein, es dürfe „keine Rückzugsräume“ für Linksextremisten geben. Zur Roten Flora wollte er sich nicht äußern. Sein Sprecher Johannes Dimroth tat kund, dies sei ohnehin Ländersache. In Berliner Sicherheitskreisen heißt es, man müsse mit derartigen Schließungen vorsichtig sein. Denn sie hätten zur Folge, dass die Linksextremisten abtauchten und man sie nicht mehr im Blick habe.
Extremismusklausel soll verschärft werden
Schließlich machte sich CDU-Generalsekretär Peter Tauber dafür stark, die Demokratie-Erklärung aus der Zeit von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) zu reaktivieren. Diese mussten Bürgerinitiativen vorübergehend von allen ihren Mitwirkern verlangen, um Fördergeld des Bundes zu erhalten. Nach einem Gerichtsurteil, das die auch als Extremismus-Klausel bekannte Vorschrift für verfassungswidrig erklärte, sowie Protesten von Anti-Rechtsextremismus-Organisationen, die sich in ihrer Arbeit behindert sahen, gilt seit 2014 eine abgeschwächte Fassung. Das SPD-geführte Familienministerium müsse dies nun wieder ändern, statt nur Projekte gegen Rechtsextremismus im Blick zu haben, so Tauber. FDP-Chef Lindner schloss sich dem an.
Ob und welcher dieser Vorstöße Wirklichkeit wird, ist offen – zumal angesichts der Bundestagswahl am 24. September. Manches dürfte wohl im Wahlkampf versanden.