SPD Berlin: Niemand will den ersten Stein auf Franziska Giffey werfen

Auch Tage nach der Wahlschlappe sind bei der Berliner SPD noch viele Fragen offen. Unter anderem die nach der Zukunft der Partei- und Regierungschefin.

Franziska Giffey
Franziska GiffeyMarkus Waechter/Berliner Zeitung

An Position eins im bekannten rot-grün-roten Trott oder in Juniorpartnerschaft mit der Wahlsiegerin CDU? Die Berliner SPD nach der Wiederholungswahl tendiert Richtung Weiter-so. „Ich würde sagen, dass es schon eine klare Tendenz gibt für die Fortsetzung. Aber es wird natürlich auch sehr ernst genommen, dass wir einen Wahlsieger haben, der deutlich vor uns liegt“, sagt die Parteivorsitzende und Regierungschefin Franziska Giffey. Und wie steht es um sie selbst? „Meine Partei hat mir im Bundesvorstand Rückendeckung gegeben, und der Landesvorstand hat das auch getan“, sagt sie. Okay, das wollen die Chefs – doch was will die Partei? 

Sicher ist: Franziska Giffey ist in der Partei nicht unumstritten. Schon als sie 2020 zusammen mit Raed Saleh Vorsitzende wurde, gab es Kritik. Die Funktionärsebene der Berliner SPD ist im Bundesvergleich eher links. Da traf Giffey mit ihrer oft konservativen Haltung in Verkehrs-, Bau-, Innen- und Migrationspolitik auf Vorbehalte. Diese schienen sich zuletzt gelegt zu haben. Nach dem Motto: Wenn, dann kann es nur gemeinsam gehen.

Doch dann kam das Wahlergebnis mit historisch schlechten 18,4 Prozent – und mit nur 105 Stimmen Vorsprung vor den Grünen. So wacklig war der Sessel im Roten Rathaus noch nie. Die Strategie, die bürgerliche Giffey vor die Koalition mit Grünen und Linken zu spannen, um diese zu befrieden, ist – fast – gescheitert. Es entstand nie das Bild eines Giffey-Senats, sie selbst hat kaum Amtsbonus, wird trotz aller Bemühungen nicht so recht als Landesmutter wahrgenommen. Wie kann es jetzt also weitergehen?

Es ist nicht einfach, aus der Partei Stimmungen zu Franziska Giffey herauszufiltern. Niemand will den ersten Stein werfen, zumindest nicht frontal auf die Chefin. Natürlich gibt es Hinweise, doch noch sind sie oft diffus. 

Im SPD-Kreisverband Mitte sitzen traditionell besonders scharfe Kritiker der Parteispitze. Am Montag meldete sich die Vizevorsitzende von Mitte, Julia Plehnert, im Tagesspiegel zu Wort: „Wenn man derartig abstürzt, geht es nicht darum, ob man ein Zehntel vor oder hinter den Grünen landet.“ Sie forderte: „Man muss dann Konsequenzen ziehen.“ Okay, aber meint sie damit Giffey?

Und da ist der bekannt kritische Kreisverband Tempelhof-Schöneberg, Heimat des von Giffey und Saleh abgesägten früheren Regierungschefs Michael Müller. Von dort ist zu hören, dass Giffey nach dem schlechten Wahlergebnis keine Legitimation mehr habe, die Partei in die bevorstehenden Sondierungsgespräche mit der CDU zu führen. Stattdessen könne man sich an dieser Stelle Kevin Kühnert vorstellen, Generalsekretär der Bundespartei – und Mitglied in Tempelhof-Schöneberg. 

Franziska Giffey, Regierende Buergermeisterin von Berlin und Saskia Christina Esken, Bundesvorsitzenden der SPD, aufgenommen bei einer Pressekonferenz.
Franziska Giffey, Regierende Buergermeisterin von Berlin und Saskia Christina Esken, Bundesvorsitzenden der SPD, aufgenommen bei einer Pressekonferenz.Felix Zahn/imago

Doch wie das so ist mit Gerüchten: Sie werden auch schnell abgetan. So heißt es von Vertretern des linken Flügels, der Name Kühnert in diesem Zusammenhang sei eine „Ente“. Viel wichtiger sei doch, dass sich die linken Sozialdemokraten seit Monaten sehr diszipliniert verhalten und Giffey in Frieden gelassen hätten. Das habe selbst dann gegolten, als diese immer wieder die Enteignung großer Immobilienunternehmen abgelehnt habe. Dabei gebe es einen Parteitagsbeschluss pro Enteignung.

Dies geschah übrigens auf genau jenem Parteitag im Juni vergangenen Jahres, als die Delegierten ihr Führungsduo auf offener Bühne zerlegten. Giffey und Saleh erhielten bei ihrer Wiederwahl nicht einmal 60 Prozent der Stimmen.

Berliner SPD-Innenpolitiker Schreiber: aus dem Parlament geflogen – und dennoch loyal

Viele SPDler erinnern sich mit Schrecken an diesen Tag. Dazu gehört der langjährige Parlamentarier Tom Schreiber, ein emsiger Arbeiter mit engen Kontakten zu Polizei und Feuerwehr, der immer loyal zu Regierungschefin Giffey und Fraktionschef Saleh stand. Jetzt ist der Innenpolitiker bei der Wiederholungswahl, für die seine Partei verantwortlich gemacht wird, aus dem Abgeordnetenhaus geflogen. Nach 16 Jahren. Doch im Gespräch mit der Berliner Zeitung bleibt sich Schreiber treu: „Das Zauberwort ist Geschlossenheit bei Partei und Fraktion. Sonst kann man es gleich lassen.“

Und manchmal wird es ganz kurios. So wurde bei Spiegel online allen Ernstes Giffeys Vorgänger Michael Müller gefragt, ob er jetzt womöglich zurückkomme. „Das wäre ja absurd“, sagte der. Immerhin.

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