Nachruf auf den Todesschützen von Benno Ohnesorg: Karl-Heinz Kurras, das ideale Feindbild der 68er

Der Tod Benno Ohnesorgs war, daran kann kein Zweifel bestehen, ein negativer Höhepunkt der 68er Bewegung. Er trug wesentlich dazu bei, aus der Studentenrevolte eine teilweise militante Bewegung zu machen, aus der sich über die Bewegung 2. Juni letztlich die Rote Armee Fraktion entwickelte. Denn den Studenten war schnell klar: Das, was da am Rande des Besuchs des Schahs von Persien unweit der Deutschen Oper geschehen war, war kein Unfall. Das war der Mord des verhassten Repräsentanten einer verhassten Staatsmacht. Und zwar einer, der juristisch folgenlos blieb.

2009 stellte sich dann bei eher zufälligen Recherchen der Stasi-Unterlagenbehörde heraus, dass der Todesschütze Karl-Heinz Kurras auch für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet hatte. Eine Sensation. Hatte die DDR die Proteste etwa gezielt anfachen wollen, um die Bundesrepublik zu destabilisieren? Musste die Geschichte der 68er Bewegung womöglich komplett umgeschrieben werden? Ein Fall für Historiker – und Verschwörungstheoretiker.

Nun ist Kurras in Spandau gestorben, und zwar schon am 16. Dezember mit 87 Jahren – einsam und verlassen, wie man so sagt. Damit geht eine sehr deutsche Geschichte zu Ende. Und eine Geschichte, die zu Berlin gehört.

Karl-Heinz Kurras wurde zweimal freigesprochen

Kurras wurde zweimal vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei gesprochen. Dabei gab er die Schüsse nach neuesten Erkenntnissen aus kurzer Entfernung und unbedrängt ab. Viel spricht dafür, dass es tatsächlich Mord gewesen ist. Manchem wird als Indiz dafür dienen, dass Kurras ein Waffennarr war und bis zuletzt keine Reue zeigte. Er gab sich alle Mühe, ein gutes Feindbild zu sein.

Dass die Staatssicherheit hinter der Tat steckte, lässt sich bis heute nicht belegen. Der renommierte Stasi-Forscher Helmut Müller-Enbergs, an der Aufdeckung des Falles wesentlich beteiligt, hält die Interpretation, wonach die Geschichte der 68er Bewegung neu geschrieben werden müsse, jedenfalls für „überdehnt“. Hier bleibt ein Geheimnis zurück. Müller-Enbergs Sohn hat die Tat übrigens vor nicht allzu langer Zeit mit einem Freund im Rahmen eines Schulprojekts nachgestellt.

"SED-Genosse Karl-Heinz Kurras setzte den Startschuss für den militanten Linksextremismus"

Sein Vater sagte der Berliner Zeitung: „SED-Genosse Karl-Heinz Kurras setzte den Startschuss für den militanten Linksextremismus und Terrorismus in Deutschland. Mit ihm tritt ein ungesühnter Makel in der deutschen Geschichte ab.“

Den meisten Jüngeren unter den heute Lebenden sagt der Name Kurras nichts mehr. Doch für die 68er Generation im Rentenalter war er eine wichtige Figur – wenn auch eine negative. Er hat ihr Leben verändert.