Neu im Kühlregal: Lecker Insektenburger!

Zuerst das Wichtigste: Nein, da krabbelt nichts im Mund. Und ja, man kann ihn essen. Man sollte ihn sogar essen, nicht nur weil er extrem gesund und nachhaltig ist. Tatsächlich schmeckt Deutschlands erster Insektenburger hervorragend. Wie er schmeckt, lässt sich nicht so einfach beschreiben: herzhaft-umami, aber nicht zu intensiv, nussig, leicht fleischig, aber ohne penetranten Nachgeschmack und vor allem perfekt saftig-fluffig in der Konsistenz. Auf jeden Fall schmeckt er nicht so, wie man es sich vorher zusammenfantasiert, aber wie soll man sich das auch vorstellen, Insekten in Bulettenform?

Mit gängigen Methoden wird die Welt nicht satt

Mehlwürmern, Termiten, Grashüpfern und Heuschrecken gehört die kulinarische Zukunft. Das predigen die Vereinten Nationen schon seit Jahren. Wenn die Weltbevölkerung mehr Insekten essen würde, könnte sie ihre Ernährungsprobleme in den Griff bekommen. Als da wären: immer mehr Menschen, die immer mehr eiweißhaltige Nahrung benötigen, während gleichzeitig Ackerland verknappt wird, den Weltmeeren die Fische ausgehen und die Fleischindustrie mit Treibhausgasen den Klimawandel antreibt. Bis zum Jahr 2030 soll die Weltbevölkerung auf 8,6 Milliarden Menschen anwachsen. Mit gängigen Methoden der Lebensmittelproduktion wird man die nicht satt bekommen. Insekten könnten die Lösung sein, denn sie sind reich an Proteinen und ungesättigten Fettsäuren und brauchen bei der Zucht weniger Platz, weniger Wasser, weniger Futter, wenig Energie und emittieren nur einen Bruchteil der klimaschädlichen Gase im Vergleich etwa zur Rinderzucht.

Leuchtet ein. Wären da nur nicht diese Bilder von fetten Maden und gefräßigen Schaben im Kopf. Ein kulturell antrainierter Ekel ist das, mehr als zwei Milliarden Menschen füllen ihren Magen schließlich bereits regelmäßig mit Krabbeltierchen – und das nicht etwa nur aus Not. In Namibia gilt der Mopane-Wurm, eine Schmetterlingsraupe, als Delikatesse, die gekocht, frittiert, angebraten oder getrocknet gegessen wird. In Mexiko bezeichnet man gekochte Ameisenlarven, die mit Öl und Knoblauch gemischt wurden, als „Mexikanischen Kaviar“. Und auch in Deutschland wurden einmal Insekten verzehrt. Wer es nicht glaubt, möge bitte „Maikäfersuppe“ googlen.

Europäische Zungen von heute davon zu überzeugen, ist dennoch eine riesige Aufgabe. Das ist auch Baris Özel und Max Krämer bewusst, die den Insektenburger entwickelt haben. Am 20. April kommt er in Deutschland in den Handel, zunächst bei Rewe Süd in den Tiefkühltruhen. Für 5,99 Euro. Nach und nach wird sich das Angebot auf das ganze Bundesgebiet ausdehnen. Auch mit Restaurants, Hotels und Cateringfirmen sind die beiden Gründer von Bugfoundation schon in Kontakt. Özel und Krämer haben mehr als vier Jahre darauf hingearbeitet, ihr Produkt in Deutschland verkaufen zu können.

"Lass uns ein Business machen"

Wie kommt man überhaupt auf die Idee, mal einfach so die Essgewohnheiten eines ganzen Kontinents revolutionieren zu wollen? Özel und Krämer, beste Freunde seit der zehnten Klasse, hatten sich Ende 2010 eine Auszeit vom Studium genommen, reisten und aßen sich ein Jahr durch Australien und Südostasien. In den Garküchen Thailands entdeckten sie Krabbeltierchen in zahlreichen Variationen, gekocht, gebraten, gegrillt. „Manches hat gut geschmeckt, manches nicht so sehr“, erzählt Özel. In Deutschland zurück schrieb Krämer seine Bachelorarbeit über Insekten als Lebensmittel der Zukunft – in Geografie, nicht in Ökotrophologie – und fand dabei mehr über die Vorteile der Entomophagie, so der Fachbegriff, heraus. „Lass uns ein Business daraus machen“, sagte der BWLer Özel irgendwann, und sie machten sich ans Werk.

Özel erzählt davon in ihrer Firmenzentrale in Osnabrück. Im dritten Stock eines Gewerbehofs am Stadtrand, zwischen Schrottplätzen und Gebrauchtwagenhändlern, haben sie sich niedergelassen. Funktional sieht es dort aus. Es gibt Schreibtische für die beiden Gründer und die drei Mitarbeiter, einen Besprechungsraum und eine Küche mit zwei Kochplatten und einem Thermomixer. Dort hat Krämer vor kurzem noch an der Rezeptur herumexperimentiert; produziert werden die Burger aber nicht in Niedersachsen, sondern in den Niederlanden.

Begonnen haben die beiden noch bescheidener: Im Februar 2014 mieteten sie sich in ein Kochlabor in Bremen ein, tüftelten mit Insekten, die sie im Internet bestellt hatten, an einem Bratling herum und scheiterten kläglich; Vom Fach waren sie schließlich beide nicht. Also holten sie sich professionelle Unterstützung. Sie wandten sich an das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik und rannten dort offene Türen ein. Gemeinsam beantragten sie EU-Fördergelder und entwickelten so bis Oktober 2015 die erste Version eines Burgers, der schmeckte. Mit dem gingen sie zunächst in Belgien, später in den Niederlanden in ausgesuchten Restaurants an den Start. Die beiden Nachbarländer hatten die Novel-Food-Verordnung, unter die in Deutschland Lebensmittel aus Insekten fallen, anders ausgelegt und den Verkauf so schon früher legalisiert.

Hübsch aussehen, gut riechen, lecker schmecken

Ob für den belgischen oder deutschen Markt – Özel und Krämer war klar, dass sie ein Produkt schaffen mussten, das hübsch aussieht, gut riecht und lecker schmeckt. „Was wir für uns von vornherein festgelegt haben, war, dass man keine ganzen Insekten oder Insektenteile sehen sollte“, erklärt Özel. „Uns war schon 2014 klar, dass das beim Menschen nicht so gut ankommt.“ Zubereitet ähnelt ihr goldbrauner Insektenburger einem flach gedrückten Falafel-Bällchen. Wer nicht weiß, dass Insekten drin sind, würde es nicht ahnen. Dabei sind es sogar ganz schön viele: rund 1000 zermahlene Buffalowürmer.

Warum ausgerechnet die? Die Wahl fiel auf den Buffalowurm, weil er gut schmeckt, zu 100 Prozent verwendet werden kann und weil er ohnehin schon auf der Liste der Insekten stand, die die EU freizugeben vorhatte. Der Buffalowurm ist genau genommen kein Wurm, sondern eine Larve. Circa 1,3 Zentimeter lang und zwei Millimeter breit ist er. Nach ein paar Wochen Lebenszeit verpuppt er sich und mutiert zum Getreideschimmelkäfer.

Özel und Krämer bekommen ihre Buffalowürmer von einem niederländischen Züchter, der bereits seit 40 Jahren auf Insekten spezialisiert ist, früher für den Zoobedarf. Die Würmer werden dort in beheizten Boxen aufgezogen. Dicht an dicht, wie sie es gerne mögen, leben sie dort inmitten des Substrats, von dem sie sich ernähren. Nach vier bis sechs Wochen sind sie „ready“, wie Özel es ausdrückt. Dann werden sie heruntergekühlt, sodass sie einschlafen – wie in der Natur, wenn es kühler wird. In der Kältekammer wird die Temperatur weiter gesenkt, bis die Tiere sterben. Ja, auch für Insektenburger wird getötet, aber die Methode ist weit weniger fies als der Bolzenschuss gemeiner Schlachtbetriebe. Hormon- und Antibiotikabelastungen muss man bei Insektenfleisch übrigens auch nicht fürchten. Argumente für den Insektenburger gibt es genug – auch für diejenigen, die sich wie die Autorin aufgrund der Zustände in der Fleischindustrie vegetarisch ernähren.

Auch für Vegetarier geeignet

„Wir gehen davon aus, dass es ein paar Jahre dauern wird, bis es alltäglich wird. Das ist aber unser Ziel: Insekten essen in Europa alltäglich machen“, sagt Özel. Die Erwartungen von Özel und Krämer vor dem Verkaufsstart sind entsprechend groß, erst recht seit der Grünen Woche. Auf der Messe war ihr Insektenburger der Hit. An fünf Tagen servierten sie über 5000 Portionen an Jung und Alt. Ob sich das nun im Supermarkt fortsetzt, wird sich zeigen. Und dann geht es weiter: Noch in diesem Jahr wollen Özel und Krämer ein neues Produkt auf den Markt bringen, irgendwann ganz Europa erreichen. Die Revolution am Herd hat gerade erst begonnen.