Neubrandenburg - Ein Prozess gegen einen ehemaligen SS-Mann wegen Beihilfe zum Mord im KZ Auschwitz ist am Montag in Neubrandenburg vertagt worden, weil der Angeklagte nicht erschien. Der 95-Jährige sei krank, sagte Richter Klaus Kabisch am Montag im voll besetzten Gerichtssaal. Demnach teilte eine Ärztin mit, dass der Mann unter hohem Blutdruck leide und Suizidgedanken habe. Außerdem hatte er sich vor einigen Tagen einen Arm gebrochen.
Das Landgericht ordnete eine Überprüfung der Befunde durch einen Amtsarzt an. Vor dem nächsten Verhandlungstermin am 14. März soll der Angeklagte noch einmal eingehend von einem Facharzt und einem psychiatrischen Gutachter untersucht werden. Auch seine Transport- und Verhandlungsfähigkeit soll noch einmal begutachtet werden.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Rentner Beihilfe zum Mord in mindestens 3681 Fällen vor. Als SS-Sanitäter soll er ab Mitte August 1944 einen Monat in Auschwitz-Birkenau stationiert gewesen sein. In der Zeit seien dort 14 Deportationszüge mit Häftlingen angekommen. Von diesen seien mindestens 3681 Menschen in Gaskammern umgebracht worden.
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Verteidiger bestreitet Schuld des EX-SS-Sanitäters
Verteidiger Peter-Michael Diestel bestreitet eine Schuld seines Mandanten. Er habe in seiner Zeit in Auschwitz andere SS-Leute und Soldaten betreut. Die Staatsanwaltschaft hofft dagegen auf eine Verurteilung des Mannes: „Für uns ist klar, er hat sich schuldig gemacht“, sagte Staatsanwalt Thomas Bardenhagen.
Ähnliche Verfahren gegen ehemalige SS-Angehörige liefen beziehungsweise laufen in Lüneburg (Niedersachsen), Detmold (Nordrhein-Westfalen), Hanau (Hessen) und Kiel (Schleswig-Holstein). In dem Fall gegen den Mann aus der Nähe von in Neubrandenburg wurde seit zwei Jahren ermittelt. Die Kammer hatte ein Verfahren gegen den Rentner 2015 aus gesundheitlichen Gründen zunächst abgelehnt. Das Oberlandesgericht hatte die Verhandlung anhand eines neuen Gesundheitsgutachtens dann aber angeordnet.
Der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees Christoph Heubner bezeichnete die Vertagung als „offensichtliche Verzögerungstaktik, die respektlos gegenüber den Opfern ist.“ (dpa)