New York Times kritisiert Joe Biden: China ist kein Feind

Das prestigereiche Editorial Board der New York Times kritisiert Bidens China-Politik. Es sei falsch, China verändern zu wollen.

Xi Jinping (r), Präsident von China, schüttelt die Hand von Joe Biden, damals Vize-Präsident der USA, in der Großen Halle des Volkes in Peking, 4. Dezember 2013.
Xi Jinping (r), Präsident von China, schüttelt die Hand von Joe Biden, damals Vize-Präsident der USA, in der Großen Halle des Volkes in Peking, 4. Dezember 2013.Lintao Zhang/GETTY IMAGES POOL v

Das prestigereiche The Editorial Board der New York Times hat in der Sonntagsausgabe einen Kommentar veröffentlicht, in dem die Autoren bessere Beziehungen zwischen den USA und China einfordern. In dem Text heißt es am Anfang: „Das wirtschaftlich aufstrebende China macht seine wirtschaftlichen, politischen und territorialen Ansprüche immer selbstbewusster geltend. Die Vereinigten Staaten, die China lange Zeit als eine Art Mitleidsfall behandelt haben, betrachten China nun als Rivalen und zunehmend als Bedrohung. Während gewisse Spannungen unvermeidlich sind, hat die Rhetorik in beiden Ländern eine kriegerische Wendung genommen. Selbst bei Themen von eindeutigem gegenseitigem Interesse, wie der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie oder der Bewältigung des Klimawandels, gibt es wenig Vertrauen oder Zusammenarbeit.“

Genau dieses fehlende Vertrauen und die allmählich immer schlechter werdenden Beziehungen beklagen die Autoren und fordern beide Regierungen auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und sich für die Zukunft des Planeten verantwortlich zu zeigen. In dem Text heißt es weiter: „Es liegt im Interesse aller, dass die beiden mächtigsten Nationen der Erde Wege finden, die Spannungen abzubauen. Im Laufe des letzten halben Jahrhunderts, beginnend mit dem bahnbrechenden Besuch von Präsident Richard Nixon in China im Jahr 1972, haben sich die Staats- und Regierungschefs der Vereinigten Staaten und Chinas wiederholt dafür entschieden, gemeinsamen Interessen Vorrang vor Konflikten einzuräumen. Der Aufbau dieser Beziehungen hat trotz aller Schwächen viel zur Stabilität und zum Wohlstand in der Welt beigetragen.“

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Die USA sollten China nicht verändern wollen

Das Frappante an dem Text: Die Autoren der New York Times kritisieren explizit, dass die Biden-Regierung kein ausreichendes Interesse an einer Verbesserung der Beziehungen zeige: „Die Regierung Biden hat die fremdenfeindliche Rhetorik des Weißen Hauses Trump abgelegt, aber sie hat keine eigene Vision für ein Gleichgewicht zwischen Wettbewerb und Zusammenarbeit angeboten. Stattdessen hat sie die Beziehungen zwischen den USA und China weitgehend als eine Reihe von Krisenmanagement-Übungen betrieben, indem sie Sanktionen für Chinas Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und Hongkong verhängte und gleichzeitig Chinas Zusammenarbeit bei Covid, dem Klimawandel und dem Krieg in der Ukraine suchte.“

Die Autoren fordern, dass die Strafzölle gegen chinesische Waren wieder eingestellt und eine Kooperation auf Augenhöhe gesucht werden müsse. Die USA sollten China nicht verändern wollen, sondern stattdessen starke Kooperationen mit Chinas Nachbarn entwickeln. Die Autoren kritisieren daher den Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan. „Der Besuch von Frau Pelosi kam zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Die dringlichste außenpolitische Priorität der Regierung Biden ist die Unterstützung der Ukraine bei der Abwehr der russischen Invasion. Der Taiwan-Konflikt macht es nur noch schwieriger, China davon zu überzeugen, seine Unterstützung für Russland einzuschränken. Der Inhalt der Botschaft von Frau Pelosi an Taiwan war jedoch genau richtig. Die Vereinigten Staaten unterstützen seit langem die Reifung der taiwanesischen Demokratie. Und es liegt in Amerikas Interesse, Taiwan als Verbündeten zu behandeln.“

Zum Abschluss sagen die Autoren, dass man China nicht als Feind behandeln dürfe. Es müsse eine bessere Zusammenarbeit geben: „China als feindliche Macht zu betrachten, ist eine kontraproduktive Vereinfachung. Die beiden Nationen bevölkern große Teile desselben Planeten. Sie sind sich nicht einig über die Bedeutung von Demokratie oder Menschenrechten, aber sie teilen einige Werte, vor allem das Streben nach Wohlstand. Die unbequeme Wahrheit ist, dass die Vereinigten Staaten und China einander brauchen. Es gibt keinen besseren Beweis dafür als die Frachtschiffe, die während des Besuchs von Frau Pelosi zwischen Guangzhou und Long Beach, Kalifornien, kursierten - und noch lange nach ihrer Rückkehr kursieren werden.“

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