Nord Stream 1: Ukraine kritisiert Kanada für Rückgabe von Gasturbine

Kanada hält eine Gasturbine wegen Russland-Sanktionen zurück, will sie nun aber nach Deutschland senden. Die Ukraine sagt, Russland könne auch so Gas liefern.

Gasturbine in Deutschland (Beispielbild): Derzeit befindet sich die Turbine in Kanada. Das Land will nun eine Ausnahme von den Sanktionen machen.
Gasturbine in Deutschland (Beispielbild): Derzeit befindet sich die Turbine in Kanada. Das Land will nun eine Ausnahme von den Sanktionen machen.Imago/IPON

Die Ukraine hat gegen die geplante Lieferung der gewarteten russischen Nord-Stream-1-Turbine von Kanada nach Deutschland protestiert. Man sei „zutiefst enttäuscht“ über die Entscheidung der kanadischen Regierung, in diesem Fall eine Ausnahme von den gegen Russland verhängten Sanktionen zu machen, hieß es in einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung von Außen- und Energieministerium in Kiew. „Wir fordern die kanadische Regierung auf, diese Entscheidung zu überdenken und die Integrität des Sanktionssystems sicherzustellen.“

Der russische Energiekonzern Gazprom hatte Mitte Juni seine Gaslieferungen nach Deutschland durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 reduziert. Begründet wird das in Moskau mit der fehlenden Turbine, die nach Wartungsarbeiten sanktionsbedingt nicht aus Kanada zurückgeliefert werden kann. Nun will Kanada die Turbine erst nach Deutschland schicken lassen, statt direkt nach Russland.

Ukraine: Rückgabe wäre „gefährlicher Präzedenzfall“

Russland sei auch ohne die Turbine in der Lage, Gas in vollem Umfang zu liefern, kritisierte die Ukraine, die sich mittlerweile seit viereinhalb Monaten gegen einen russischen Angriffskrieg verteidigt. „Russlands Forderung nach der obligatorischen Rückgabe der Turbine zur Fortsetzung des Gastransports ist Erpressung.“ Wenn der Westen nun nachgebe, werde ein „gefährlicher Präzedenzfall“ geschaffen, der „Moskaus Gefühl der Straflosigkeit“, verstärke, hieß es aus Kiew.

Kanada wiederum hatte argumentiert, ohne die nötige Gasversorgung würde die deutsche Wirtschaft sehr leiden und die Deutschen wären möglicherweise nicht in der Lage, im Winter ihre Wohnungen zu heizen. Man wolle dafür sorgen, dass Europa „Zugang zu zuverlässiger und erschwinglicher Energie“ habe, während es sich langsam von russischem Öl und Gas löse.

Deutschland hatte sich für Lieferung eingesetzt

Russland hatte den Ausfall einer Turbine Mitte Juni als einen Grund für die Drosselung seiner Gaslieferungen über die Nord-Stream-Pipeline angeführt. Die Bundesregierung zweifelte diese Argumentation an.

Berlin hatte sich in den vergangenen Wochen bei Kanada intensiv um die Freigabe der Turbinen bemüht. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte der kanadischen Regierung vorgeschlagen, die Turbine an Deutschland zu liefern, wenn das die Entscheidung rechtlich einfacher mache.

Siemens will reparierte Turbine schnellstmöglich installieren

Siemens will derweil die von Kanada freigegebene Turbine für die Gaspipeline Nord Stream 1 so schnell wie möglich in Russland installieren. „Unser Ziel ist es, die Turbine so schnell wie möglich zu ihrem Einsatzort zu transportieren“, erklärte ein Unternehmenssprecher am Sonntag.

Die politische Entscheidung Kanadas sei für die Ausfuhrgenehmigung der Turbine „ein notwendiger und wichtiger erster Schritt“, erklärte der Siemens-Sprecher. Aktuell arbeiteten die Experten des Unternehmens „mit Hochdruck an allen weiteren formalen Genehmigungen und der Logistik“. Dabei handele es sich unter anderem um Vorgänge, die der Export- und Importkontrolle unterliegen.

Gaspipeline Nord Stream 1 wird für Wartungsarbeiten heruntergefahren

Ob jedoch weiter russisches Gas nach Deutschland fließt, ist keineswegs sicher. Wegen regulärer Wartungsarbeiten wird am Montag die Pipeline Nord Stream 1 heruntergefahren, die russisches Gas nach Deutschland liefert. Die Bundesregierung rechnet mit rund zehntägigen Arbeiten. Zugleich äußerten die Bundesnetzagentur und auch das Wirtschaftsministerium zuletzt Bedenken, dass Russland danach den Gashahn nicht wieder andrehen könnte.

Russland hatte die Gaslieferungen bereits Mitte Juni angeblich wegen einer defekten Turbine stark gedrosselt. Kanada gab am Wochenende die Ausfuhr einer reparierten Turbine frei, wodurch dieses Problem gelöst werden soll. Die Bundesregierung hatte allerdings die russische Argumentation im Zusammenhang mit dem Turbinendefekt von Anfang an angezweifelt. Wegen des Angriffskriegs in der Ukraine versucht Deutschland verstärkt, von russischen Energielieferungen unabhängig zu werden.