Nord Stream: Wie ein stiller Ort auf Rügen ins Visier der Fahnder gerät
Bereitete sich die Segeljacht „Andromeda“ in Wiek auf Rügen auf ihre Sabotage-Fahrt vor? Eine Spurensuche.

Noch liegt dünnes Eis im Becken des Hafendorfes Wiek auf Rügen. Auf dem Bodden schlafen Schwäne, ein Schwarm Gänse zieht lärmend über das Wasser. Die Geschäfte und Restaurants an der Marina machen noch Winterpause, leider auch das Bistro Fischkopp. Aber am 1. April beginnt die Saison, und die Vorbereitungen laufen. Leute von der Werft nebenan lassen per Kran ein Boot zu Wasser, auf dem Parkplatz hängt ein schnieker weißer Tesla mit thüringischem Kennzeichen an der Ladesäule, und an einem der etwa 70 Liegeplätze im Hafendorf schleifen Männer an einem weißen Schiff herum.
Das ist etwas kleiner als die Segeljacht, die dieser Tage die etwa 1000 Einwohner zählende Gemeinde Wiek auf Rügen vom Winterschlaf in die Weltpresse katapultiert hat. Die „Andromeda“, eine Bavaria Cruiser 50 – 15,57 Meter lang, 4,67 Meter breit, Tiefgang 2,25 Meter, Platz für maximal elf Personen – soll nach Medienrecherchen im September 2022 den Sprengstoff und die Crew, fünf Männer, eine Frau, zu den Stellen in der Ostsee gebracht haben, wo die Nord-Stream-Pipelines in 80 Meter Tiefe gesprengt wurden. Auf www.mola-yachtcharter-ostsee.de/ wird sie zur „Buchung ab Rostock“ angeboten, Charter-Wochenpreis 2398 Euro.
Die Hafenmeisterei ist derzeit noch geschlossen, eine ältere Frau holt gerade ein paar Kartons heraus und antwortet auf die Frage, wo den die Chefs seien, in strengem Ton: „Wir lassen uns hier nicht aushorchen.“
Chef René Redmann findet aber eine nette Form, ein bisschen Auskunft zu geben und sich doch an die von den Nord-Stream-Ermittlern verhängten Informationsbeschränkungen zu halten. Ja, das Bundeskriminalamt habe ausführlich mit ihm gesprochen. Ja, die Hafenmeisterei erfasse alle Schiffe – den Namen, die Länge, die Crew. Ja, alle Erkenntnisse habe er dem BKA mitgeteilt. Mehr gebe es nicht zu sagen, an Spekulationen wolle er sich nicht beteiligen: „Die sollen bitte in Ruhe ermitteln.“
Aber war denn tatsächlich die „Andromeda“ da? Diese Frage beantwortet er – auf Bitten des BKA – nicht. Allerdings kennt er die Jacht, das sei ja ein Boot von „einer bekannten Charteragentur hier in der Nähe“, die „Andromeda“ sei bestimmt „das eine und das andere Mal dagewesen“. Er glaubt, sich zu erinnern und jetzt auf Fernsehbildern gesehen zu haben, dass sie auch die Aufschrift „Breege“ trage – ein Jachthafen, kaum fünf Kilometer Luftlinie entfernt von Wiek am Großen Jasmunder Bodden gelegen.
Etwa 120 Kilometer Luftlinie liegen zwischen Wiek auf Rügen und Bornholm. „Problemlos zu erreichen“, sagt Hafenmeister René Redmann am Telefon, „mit einem Motorboot ist man in drei Stunden dort, mit dem Segelboot dauert es, je nach Windrichtung, etwas länger.“
Der Charme bleibt
Er ist bei aller Gelassenheit nicht glücklich über den Rummel: „Auf diese Werbung können wir gerne verzichten.“ Wiek ist bei Seglern hochbeliebt, denn hier gibt es alles, was sie zur Versorgung brauchen: die wunderbare Bäckerei Maltzahn (Spezialität „Segler“-Brötchen), eine Sparkasse mit Geldautomaten, einen gut bestückten Laden in der Ortsmitte und in der Saison nette gastronomische Einrichtungen wie Gaboras Art – Café, Weinladen, Bar. Wenn tatsächlich ominöse Ukrainer, Russen oder wer auch immer am Hafen flanierten und den herüberblinkenden Leuchtturm von Hiddensee sahen – es ändert gar nichts am stillen Charme dieser herrlichen Ecke auf Deutschlands größter Insel.