NRW-Verband: SPD muss inhaltlich zügig über Koalition hinauswachsen
Berlin - Die nordrhein-westfälische SPD dringt darauf, den inhaltlichen Erneuerungsprozess der Partei zu beschleunigen. Die große Koalition habe zwar „die aktuelle Parlamentsmehrheit“, „aber wir wissen um ihre beschränkten Möglichkeiten“, heißt es in einem einstimmigen Beschluss des NRW-Landesvorstands vom Freitagabend, der dem RedaktionsNetzwerk Deutschland vorliegt. „Deswegen ist es unser Ziel, in unserem inhaltlichen Angebot zügig über die Koalition hinauszuwachsen“, fordert der Landesvorstand der SPD.
Die SPD wolle in der großen Koalition das Beste für die Menschen rausholen, schreiben die NRW-Vorständler. Sie ergänzen aber: „Unsere weitergehende inhaltliche Agenda leitet sich von keinem Koalitionsvertrag ab.“ Als ein zentrales Thema sieht der größte SPD-Landesverband eine Wende in der Sozialpolitik und nimmt damit Bezug auf die Debatte um Hartz IV: „Der vereinzelt vorgenommene Reparaturbetrieb in der Sozialgesetzgebung ist nicht ausreichend, um den Menschen die Angst vor dem Abstieg zu nehmen. Daher bedarf es einer grundsätzlichen Neuausrichtung der sozialen Sicherungssysteme“, erklärt der Landesvorstand. „Nie wieder wird die SPD zulassen, dass Menschen in Arbeitslosigkeit von der Gemeinschaft alleine gelassen werden und innerhalb kürzester Zeit die Früchte ihrer Lebensleistung verlieren.“
Darüber hinaus fordert die NRW-SPD die Bürgerversicherung im Gesundheitssystem und eine bessere Kindergrundsicherung, einen Altschuldenfonds für Kommunen und eine „stabile Sozialunion“ in Europa. Um die Handlungsfähigkeit des Staates zu stärken, brauche es eine Vermögenssteuer und neue Regeln bei der Erbschaftssteuer für höhere Einkommen.
Klare Haltung in der Asylpolitik
In der Asylpolitik müsse die SPD eine klare Haltung beziehen. „Wir werden weitere Einschränkungen des Asylrechts nicht mitmachen. Wir werden keine weiteren Staaten zu sicheren Herkunftsstaaten erklären, nur um die Zahl der Geflüchteten zu minimieren“, heißt es in dem Papier.
Der SPD-Bundesvorstand unter Führung von Andrea Nahles hat beschlossen, dass für die Sozialdemokraten wichtige Themen in der Bundesregierung konzentriert angegangen werden sollen: Dazu zählen Entlastungsgesetze für Familien, die Rentenreform, bessere Weiterbildungsmöglichkeiten am Arbeitsmarkt und die Stärkung der Mieterrechte. Darüber hinaus hat der Bundesvorstand einen Fahrplan beschlossen, der erst bei einem Parteitag im Dezember 2019 Klarheit über ein neues Programm geben wird.
Der SPD-Landesvorstand in NRW fordert, in den kommenden Wochen und Monaten eine neue Agenda auszuformulieren. Die Sitzung am Freitagabend fand anlässlich des 100. Jahrestags zur Ausrufung der Republik in Solingen statt. Dort hatte Philipp Scheidemann, der auf dem Balkon des Reichstags die Republik ausrief, seinen Wahlkreis. „Glaubwürdigkeit und Vertrauen gewinnt man nur zurück, indem man sagt, was man will und dies dann auch tut“, schreibt der Vorstand. Das klingt nach neuem Konfliktstoff in der SPD – und für die große Koalition. (rnd)