NSA-Affäre: Bundesregierung darf Spionageziel-Liste unter Verschluss halten
Karlsruhe - Die Bundesregierung muss die geheime Liste mit den NSA-Spionagezielen nicht an den NSA-Untersuchungsausschuss herausgeben. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Das Geheimhaltungsinteresse der Regierung überwiege das Informationsinteresse des Ausschusses, heißt es in dem Beschluss von Mitte Oktober, der am Dienstag bekannt wurde. Eine Herausgabe ohne Einverständnis der USA könne die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands beeinträchtigen.
Geklagt hatten die Fraktionen von Linken und Grünen im Bundestag sowie die Obleute der beiden Parteien im Ausschuss. Auf der Liste stehen Suchmerkmale wie Telefonnummern, E-Mail- oder IP-Adressen, die der US-Geheimdienst NSA dem Bundesnachrichtendienst (BND) geliefert haben soll. Der BND soll den Amerikanern damit über Jahre geholfen haben, europäische Unternehmen und Politiker auszuforschen. Später wurde publik, dass der BND selbst solche Selektoren einsetzte.
Kein „zentrales Interesse“
Die Bundesregierung hatte die Herausgabe der Liste verweigert. Stattdessen wurde mit Koalitionsmehrheit der Verwaltungsrichter Kurt Graulich als „Vertrauensperson“ bestellt. Dieser wertete die Liste aus und unterrichtete anschließend den Untersuchungsausschuss – das aber nur grob und nicht detailliert. Aus dem Beschluss geht zwar hervor, dass die Verfassungsrichter durch dieses Vorgehen das Recht des Ausschusses auf Vorlage nicht erfüllt sehen. Sie halten der Bundesregierung aber zugute, dass diese Auskünfte erteilt habe. Die Kenntnis der Selektoren sei zudem „eher von allgemeinem politischen Interesse“ und „nicht zentral“.
Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg (CDU), begrüßte die Entscheidung. „Ich halte das Urteil für richtig“, sagte er der Berliner Zeitung. „Denn wir haben für die Kontrolle der Geheimdienste Gremien. Kontrolle ist also möglich. Aber es gibt Dinge, die geheim bleiben müssen. Sonst können die Geheimdienste nicht arbeiten.“
Snowden-Vorladung abgelehnt
Die Opposition beklagte das Urteil hingegen. Die Ausschuss-Obfrau der Linken, Martina Renner, warnte, „dass die Geheimdienste weiter machen können, was sie wollen“. Ihr grüner Kollege Konstantin von Notz schrieb bei Twitter: „Die US-Selektoren betrafen Hunderttausende von europäischen Bürgern und Unternehmen. Wen genau wird nun im Dunkeln bleiben.“
Vor knapp zwei Jahren hatten die Karlsruher Richter bereits den Versuch der Opposition abgewiesen, den einstigen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden in den Untersuchungsausschuss zu holen. Zuständig sei der Bundesgerichtshof, hieß es. Dessen Entscheidung steht noch aus.