NSU-Terrorzelle: Hilflos im Dunkeln getappt
Die Aktion wirkte wie ein Zeichen der Entschlossenheit. Die Bundesanwaltschaft ließ am Donnerstag in Hessen, Thüringen und Sachsen Wohnungen und andere Objekte durchsuchen. Ziel sei es gewesen, Beweismittel zu finden, um die Herkunft der Waffen des NSU weiter aufzuklären, hieß es. NSU ist bekanntlich das Kürzel für „Nationalsozialistischer Untergerund“. In Sachsen sei die Wohnung einer möglichen Unterstützerin gescannt worden, die als Beschuldigte geführt werde, teilte die Bundesanwaltschaft weiter mit. Von den Durchsuchungen in Hessen und Thüringen seien zwei Personen betroffen, die nicht beschuldigt würden. Festnahmen gab es keine.
Die Sicherheitsbehörden wollen Stärke demonstrieren. Diese Stärke wurden in den Jahren schmerzlich vermisst, als der NSU zehn Menschen umbrachte. Warum und weshalb das so war, machte gestern Wolfgang Geier im zuständigen Untersuchungsausschuss des Bundestages deutlich. Der 57-Jährige war Leiter der Sonderkommission „Bosporus“. Ihr oblag die Aufklärung der Morde.
Dabei konnte man die Nöte des Mannes sogar nachvollziehen. Immer wieder hätten Unbekannte die Lokale türkisch- oder griechisch-stämmiger Kleinunternehmer betreten, sagte er. Sie hätten die Waffe erhoben, geschossen und seien dann wieder gegangen. Zwar nutzten die Täter in vier Fällen Fahrräder. Es habe jedoch keine Tatortspuren und keine Bekennerschreiben gegeben. „Da ist es natürlich ganz schwer“, betonte der Kriminalist, der schilderte, wie man zunächst auf organisierte Kriminalität getippt, später allerdings auch ein ausländerfeindliches Motiv nicht mehr ausgeschlossen habe.
Konsequent ist man Letzterem indes nicht nachgegangen. Geier musste deshalb ein ums andere Mal gestehen, was alles schief lief. Auch seine persönliche Glaubwürdigkeit geriet ins Wanken.
So wandte sich die Sonderkommission zwar an das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz, um Informationen über die 682 registrierten Rechtsextremisten aus dem Großraum Nürnberg einzuholen, weil die Mordserie dort ihren Ausgang genommen hatte. Es dauerte aber über ein halbes Jahr, bis der Verfassungsschutz die Informationen herausgab und insgesamt 16 Monate, bis sie ausgewertet waren. Der Ausschuss-Vorsitzende Sebastian Edathy (SPD) wollte wissen, warum denn nicht auch andere Landesverfassungsschutzämter angefragt wurden. Immerhin fanden die Taten verstreut über fünf Bundesländer statt. Geier hatte darauf keine befriedigende Antwort.
Stattdessen legte er dar, dass man um einen Ansprechpartner beim Bundesamt für Verfassungsschutz gebeten habe. Doch aus Köln sei keine Reaktion gekommen. Das Bundeskriminalamt (BKA) wiederum blieb bei den Ermittlungen größtenteils außen vor, mal weil das BKA es so wollte, mal weil die Länder es so wollten. Dass die amerikanische Bundespolizei FBI 2007 einen rassistischen Hintergrund vermutete, will der Franke nicht gewusst haben. Erstaunlich war zudem, dass sowohl das Magazin Focus als auch die Süddeutsche Zeitung einen solchen Hintergrund ausschlossen – unter Berufung auf Geier. Der wies das von sich und sprach nebulös von einer Medienstrategie. Angeblich wollte man die Republik nicht aufscheuchen mit der Vermutung, in Deutschland seien Menschen unterwegs, die reihenweise Ausländer niederschössen – nur weil sie Ausländer seien.
In der Sitzung trat also mindestens jenes „Koordinierungsversagen“ zutage, das nicht bloß der FDP-Politiker Hartfrid Wolff erkannt haben wollte. Von Unvermögen ist ebenfalls die Rede.