Ortsbesuch in Ansbach: „Ich habe Sorge, dass sich die Stimmung dreht“

Ansbach - Die Kirche St. Gumbertus, ein Steinwurf vom Tatort entfernt. Gottesdienst für Opfer, Angehörige, Ansbacher. „Innehalten“, heißt es an diesem Donnerstag, innehalten nach einer schrecklichen Woche. 200 Ansbacher sind gekommen und hören der Predigt von Bischöfin Gisela Borowski zu. Ihr Eindruck: Aus den Fugen geraten sei ihre Stadt, sagt sie. Die Angst sei mitten in Ansbach angekommen. Sie will nicht, dass alles noch schlimmer wird. Ihr Rezept: „Wir dürfen unsere Menschlichkeit nicht abgeben jetzt, wir müssen dem Hass was dagegensetzen."

Zweiter schwerer Schlag für Ansbach

Es geschah am Sonntag gegen 22 Uhr. Es war ein lauer Abend, das Open Air Festival neben der Kirche war im Gange. In den Kneipen und Biergärten hörten die Leute der Musik zu, als es plötzlich knallte. Als, wie sich bald danach herausstellte ganz in der Nähe Mohammed Daleel, 27 Jahre alt, syrischer Flüchtling, seine Rucksackbombe zündete, 15 Menschen verletzte und sich tötete.

Es ist nicht die erste Katastrophe in Ansbach. 2009 lief ein Schüler am Gymnasium Carolinum Amok. Mit einem Beil, Messern und Molotowcocktails bewaffnet, rannte er durch die Schule und verletzte eine Lehrerin und neun Mitschüler zum Teil schwer. Bis die Polizei ihn anschoss und stoppte. Der Junge überlebte und wanderte für Jahre ins Gefängnis.

Der Anschlag macht Angst

Und nun schon wieder. Wieder Ansbach. Wieder ist ein Blitz in den hübschen Ort in Mittelfranken gefahren. Wieder wollte ein Mensch andere Menschen umbringen. Aber diesmal ist es anders als 2009. Schlimmer, bedrohlicher, es geht tiefer, es macht unruhig.

Der Terror und Wahnsinn der Welt ist im kleinen Ansbach angekommen. Andere Umstände, ein anderer Typ Täter, ein Deutschland in fiebrigem Zustand nach den Bluttaten, die in München, auf der Bahnstrecke bei Würzburg, in Reutlingen oder in Nizza geschahen.

„Ich habe Sorge, dass die Stimmung sich dreht“, sagte Pfarrer Thomas Meister gleich am Tag danach über seine Stadt. Er meint: dass sie ins Düstere und Wütende umschlägt. Es reicht vielen, der Zorn wächst leise. Ansbach ist ein ruhiges Städtchen in Franken, uralt, gemütlich, 40.000 Einwohner, mit alter Residenz, Orangerie und Hofgarten, hübschen Plätzen, Kopfsteinpflaster, Gassen und Kneipen.

Menschen ziehen sich zurück

Wer dort in dieser Woche ein wenig herumging und fragte, was denn nun werden solle, wie es weitergehe, was sich ändern müsse, der bekam eine Menge zu hören. Momentaufnahmen: Geschimpfe, Trotz, manche zucken mit den Schultern. Die einen wollen künftig große Feste und Menschenansammlungen meiden. Andere machen weiter wie bisher.

„Jetzt erst recht“, sagt ein älterer Mann auf dem Martin-Luther-Platz vor der alten Hofapotheke. Aber es gibt auch andere: „Muslime gehören hier einfach nicht hin“, sagt eine Frau. Sie sitzt auf ihrem E-Bike, hält nun kurz an, steigt ab. „Wir hätten die nie alle ins Land lassen dürfen“, sagt sie. „Ihr seid doch mit schuld“, schimpft eine andere Frau, die in der Nähe von einem Kamerateam angesprochen wird. Sie sagt es so laut, dass es jeder in der Straße hören kann. „Ihr Mediengeier macht die Kerle auch noch groß und verbreitet den Mist weiter.“

Norbert Imschloß hat sich mittlerweile beruhigt und wiedergefunden. Er ist der Wirt von Eugens Weinstube in der Pfarrstraße direkt am Tatort. Der Attentäter war in seinem Biergarten, war in seinem Lokal, er hat ihn noch gesehen und sich gewundert, warum der junge Kerl da so „herumwandert“ mit seinem Rucksack. Imschloß, leidenschaftlicher Gastronom und Musiker, ähnelt ein wenig Jürgen von der Lippe, an leichteren Tagen greift er gerne in die Tasten seines Akkordeons. Seine Weinstube ist dunkel, rustikal, gemütlich.