Parlamentswahlen: Islamisten in Algerien bilden eine Grüne Allianz
Algerien wählt an diesem Donnerstag ein neues Parlament, und wie in Tunesien, Ägypten und Marokko könnten die Islamisten den Urnengang gewinnen. Jedenfalls werden sie deutlich erstarken. Das größte Land des Maghreb steht damit allerdings nicht vor einem Machtwechsel. „In Algerien ändert sich nichts, sonst gäbe es keine Wahlen“, sagen böse Zungen.
Da ist gewiss was dran. Die Machthaber können es sich leisten, wählen zu lassen. Mehr Macht als Präsident Abdelaziz Bouteflika, der seit 13 Jahren an der Staatsspitze steht, hat in Algerien ohnehin die „Nébuleuse“ – die Nebelschwade, wie die Clans aus Generälen der Armee und des militärischen Geheimdienstes genannt werden. Doch auch Algerien ist vom „Arabischen Frühling“ nicht gänzlich unberührt geblieben.
Immer wieder kommt es überall im Land zu Protesten, Unruhen und lokalen Aufständen, bei denen mitunter auch Polizeistationen und Regierungsämter gestürmt werden. Seit der Selbstverbrennung des Tunesiers Mohamed Bouazizi, die zum Fanal der tunesischen Revolution wurde, haben sich in Algerien über hundert Menschen angezündet, von denen etliche starben. Ein landesweiter Aufstand aber hat sich nie entwickelt.
Islamisten könnten sich in die Regierung einbinden lassen
Dies hat vor allem zwei Gründe: Die algerische Gesellschaft ist von einem etwa zehn Jahre dauernden Bürgerkrieg, der in den 90er-Jahren rund 150000 Tote forderte, tief traumatisiert. Und das Regime des mit riesigen Erdgasfeldern und sprudelnden Erdölquellen gesegneten Landes hat nach Beginn der tunesischen Revolution den Geldhahn aufgedreht: Es gab zinslose Darlehen für Arbeitslose, die Löhne im öffentlichen Sektor wurden oft verdoppelt, jene der Professoren gar vervierfacht, Schulden erlassen und Steuersünder amnestiert.
Trotzdem bahnen sich nun Änderungen an. Es sind die ersten Wahlen, die nicht unter dem Ausnahmezustand finden, der vor 15 Monaten nach 20 Jahren aufgehoben wurde. Internationale Beobachter sind – auch dies ist eine Premiere – zugelassen.
Drei islamistische Parteien – die MSP, die erst im März aus der Regierung ausgetreten ist, die Ennahda und die El-Islah – haben sich zur „Allianz des Grünen Algeriens“ vereinigt, grün wie die Farbe des Propheten. Die Allianz könnte so stark werden wie die beiden nationalistischen Parteien zusammen, die beide an der Regierung beteiligt sind: die FLN, die das Land vor fünfzig Jahren in die Unabhängigkeit geführt hat, und die RND von Ministerpräsident Ahmed Ouyahia.
Die FLN steckt in der tiefsten Krise ihrer Geschichte. Über 200 der 351 Mitglieder ihres Zentralkomitees haben Parteichef Abdelaziz Belkhadem ihr Misstrauen ausgesprochen, weil sie mit der Besetzung der Spitzenpositionen auf den Wahllisten unzufrieden waren.
Dem neuen Parlament wird vermutlich auch die linke, vor allem bei Berbern verwurzelte FFS von Hocine Ait-Ahmed angehören, der einst die FLN mitgegründet hat. Sie hat die Wahlen seit 1992 boykottiert. Damals hatte die Armee geputscht, um den absehbaren Wahlsieg der islamistischen FIS zu verhindern. Folge war der von beiden Seiten grausam geführte Bürgerkrieg.
Auch die trozkistische PT der populären Politikerin Louisa Hanoune und zwei weitere Oppositionsparteien werden es wohl über die Fünfprozenthürde schaffen. Das Parlament soll noch in diesem Jahr eine neue Verfassung verabschieden. Es geht dabei vor allem um die Staatsform. Die islamistische Allianz möchte eine parlamentarische Republik, die ihre Machtstellung absichern würde. Allerdings würde es in Algerien niemanden wundern, wenn sich die Islamisten wieder in die Regierung einbinden lassen würden.