Patienten zittern weiter vor dem Intensivpflegegesetz

Ist doch jetzt alles super, sagen CDU und SPD zum verabschiedeten Intensivpflegegesetz. Doch das ist scheinheilig. 

Leerer Rollstuhl im Heim: Kritiker befürchten, dass das IPReG für viele Intensivpflegepatienten im Endeffekt doch Heimzwang bedeuten könnte. 
Leerer Rollstuhl im Heim: Kritiker befürchten, dass das IPReG für viele Intensivpflegepatienten im Endeffekt doch Heimzwang bedeuten könnte. imago images/Panthermedia

Berlin-Es gibt jetzt keine Rechtssicherheit mehr für Schwerstkranke, die 24 Stunden am Tag gepflegt werden müssen, zu Hause bleiben zu dürfen. Das umstrittene Intensivpflege- und Rehabilitationsgesetz (IPReG) von Jens Spahn (CDU) wurde am Donnerstagabend in dritter Lesung durch den Bundestag gebracht.

Patienten, Angehörige und Pfleger hatten monatelang gegen die Gesetzesreform protestiert, die ihr Recht auf Selbstbestimmung berührt. Der Bundesgesundheitsminister wollte die Intensivpflege vorwiegend stationär organisiert wissen, das hätte in viele Fällen geheißen: Heimzwang. Gegen den Willen der Patienten, die damit aus dem Kreise ihrer Liebsten und ihrem Zuhause gerissen worden wären. Rund 20.000 Patienten deutschlandweit wären davon betroffen.

Die SPD hatte in der vergangenen Woche auf den letzten Drücker eine Änderung eingebracht, auf die sich die Regierungsparteien jetzt gegen die Stimmen der Opposition geeinigt haben. Diese ist von der SPD vielleicht gut gemeint, doch sie verkompliziert die Vorgänge, die ohnehin in der Pflege kaum zu durchschauen sind. Schon gar nicht von Schwerstkranken, die wirklich andere Sorgen haben, als sich mit der Krankenkasse über ihre Versorgung zu streiten. Nun heißt es vonseiten der Regierung aber sinngemäß: Habt ihr gut gemacht, Intensivpflegepatienten, wir haben viel dazugelernt, und jetzt ist doch alles fein.

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Das ist es aber nicht, darauf wiesen die Oppositionsparteien im Bundestag noch einmal in seltener Einigkeit aus FDP, Grünen und Linke völlig zu Recht hin. Das neue Gesetz strotzt nur so vor rechtlichen Uneindeutigkeiten. Vor allem der am meisten umstrittene Punkt, wer darüber zu entscheiden hat, ob ein Patient zu Hause gut oder schlecht gepflegt wird, bleibt im Grunde offen. Es ist nun schöner verpackt und der Wille, auch den Patientenwunsch miteinzubeziehen, wird deutlich ausgedrückt. Aber wie genau er in der Realität berücksichtigt wird, ist unklar.

Kritiker bemängeln außerdem, dass künftig zu treffende „Zielvereinbarungen“ zwischen Patient und Krankenkasse über die Pflege kein Vertrag auf Augenhöhe seien. Patienten zittern jetzt schon vor der Macht der Kassen, darüber zu bestimmen, ob sie zu Hause bleiben dürfen oder ins Heim müssen, weil dort die Pflege günstiger ist.

Im Bundestag hieß es nun von Spahn, die Politik werde darüber wachen, ob die Krankenkassen sich an die politisch vorgegebene Richtung halten. Das ist der falsche Weg. Es wäre seine Aufgabe gewesen, per Gesetz festzulegen, dass die Kassen ihre Macht nicht missbrauchen können, um Patienten aus wirtschaftlichen Gründen in Heime zu zwingen, die dort nicht hinwollen.

So wird das Gesetz in Zukunft wohl die Sozialgerichte beschäftigen, die dann darüber zu entscheiden haben, ob der Wunsch des Patienten, zu Hause versorgt zu werden, berechtigt oder unberechtigt ist. Vielleicht wird sich auch das Verfassungsgericht noch mit diesem Gesetz befassen, das nach Meinung von Sozialverbänden unter Umständen immer noch gegen die UN-Behindertenrechtskonvention verstößt