Populismus oder Notwehr? Bezirk Mitte verbietet Alkohol in zwei Parks

Das Bezirksamt will nächtliche Exzesse in Grünanlagen verhindern. Protest kommt vor allem von der Polizei selbst

Der James-Simon-Park bei Nacht
Der James-Simon-Park bei Nachtdpa/Paul Zinken

Das nächtliche Alkoholverbot im James-Simon-Park und Monbijoupark in Berlin-Mitte bleibt heiß umstritten. Während aus der Politik unterschiedliche Stimmen zu hören sind, lehnt etwa die Gewerkschaft der Polizei die Sanktion ab. Es sei völlig unklar, wer das überwachen soll. Eines sei schon mal klar: Die Polizei soll es nicht sein.

Am Donnerstag machte Stephan von Dassel (Grüne), Bezirksbürgermeister von Mitte, seine Ankündigung wahr. Er erließ ein Alkoholverbot für die beiden Grünflächen beidseits der S-Bahntrasse am Hackeschen Markt. Ab sofort ist der „Konsum sowie das Mitführen von Alkohol in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr“ untersagt. Seit Wochen treffen sich dort vor allem in den Nächten rund ums Wochenende junge Leute, um „exzessiv zu trinken“, wie es heißt. Mit allen Nebenwirkungen.

So komme es zu massiven Lärmbelästigungen. Zudem werde die Vegetation insbesondere durch wildes Urinieren geschädigt, der Park sei am nächsten Morgen stark vermüllt, Glasscherben machten die Nutzung der Liegewiesen gefährlich. Kurz: „Die Erholungsfunktion und der ökologische Wert der Grünanlage sind erheblich eingeschränkt.“ Und weiter: Der Alkoholkonsum gelte dabei als Hauptkatalysator für solches Fehlverhalten, „das als Nebenfolge sogar ein massives Einschreiten der Polizei erfordert“.

Der Verweis auf das jetzt schon erforderliche Einschreiten der Polizei ist wichtig, denn Bürgermeister von Dassel stützt sein Alkoholverbot auf das Berliner Grünanlagengesetz. Und genau dort wird die Polizei mit keiner Silbe erwähnt.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) reagiert prompt. Ein Alkoholverbot sei weder der große Wurf noch werde es wirklich etwas an der Situation ändern, heißt es in einer Pressemitteilung der Gewerkschaft. Vor allem aber sei eben „nicht klar, wer das Verbot durchsetzen soll und wie Verstöße sanktioniert werden sollen“, heißt es.

Der Rest in der GdP-Pressemitteilung schwankt zwischen Ironie und Zynismus. Man sei „sehr gespannt, wie der Bezirk das Alkoholverbot umsetzen möchte“, heißt es, schließlich arbeiten die bezirklichen Ordnungsämter nicht nachts. Man sei sich „ziemlich sicher, dass neuerdings nicht Bezirke über den verfügbaren Personalansatz der Berliner Polizei während der Nacht entscheiden“. Es könne jedenfalls  nicht sein, „dass alle in den Sommerurlaub fahren und darauf vertrauen, dass Polizei und Feuerwehr wie immer in dieser Stadt alle Probleme lösen“. Und ganz aktuell: „Angesichts des anstehenden CSD am Wochenende, der Sicherheit in Freibädern und der alltäglichen Kriminalitätsbekämpfung herrscht bei Berlins Polizei jetzt auch nicht gerade Langeweile und Personalüberschuss.“

Dabei ist der Streit altbekannt. Auch voriges Jahr war der Bezirk Mitte eingeschritten und hatte für den James-Simon-Park Beschränkungen erlassen. Damals waren aufgrund von Schließungen wegen der Corona-Pandemie immer wieder Tausende für Partys in die Parks ausgewichen. Es kam zu teils gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Feiernden und Polizisten. Damals reagierte der Bezirk mit Betretungsverboten.

Eingezäunt: ein Park in Paris.
Eingezäunt: ein Park in Paris.imago/Hans Lucas

Der Streit zwischen Bezirksamt und Polizei ist längst auch im Senat angekommen. So strebt Innensenatorin Iris Spranger (SPD) ein einheitliches Konzept an, um die Parks zu befrieden.

Interessanterweise gibt es jedoch laut Medienberichten zu diesem Thema selbst unter zuständigen Bezirksstadträten ein- und derselben Partei unterschiedliche Meinungen. So sieht Neuköllns Umweltstadtrat Jochen Biedermann in seinem Bezirk „derzeit keine Notwendigkeit“ für Alkoholverbote oder Zäune. Dagegen sagt Oliver Schruoffeneger (beide Grüne), in Charlottenburg-Wilmersdorf zuständig für Grünflächen, selbst Schließungen müssten möglich sein.

Die Zustimmung von Senatorin Spranger hätte Schruoffeneger. „Ab einem bestimmen Zeitpunkt muss auch ein Alkoholverbot ausgesprochen werden“, sagt Spranger. Wenn nötig, müssten Parks auch eingezäunt werden.

Berliner Innenpolitiker sind gegen ein Alkoholverbot

Nahezu einhellig ist die Ablehnung dagegen bei denjenigen, die sich zwar als Parlamentarier berufs- oder interessemäßig mit Innenpolitik beschäftigen, aber keine Verantwortung tragen. Zum Beispiel Vasili Franco, innenpolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus: „Jetzt mal ehrlich: Das Alkoholverbot ist populistischer Quatsch“, twittert er. Selbstverständlich seien Vermüllung, Lärm und Gewalt Probleme, so Franco. „Aber eine Scheinlösung, die nur noch Anlass für mehr Konflikte gibt, hilft keinem!“

Für die Linken sagt Niklas Schrader: „Wir wollen keine Stadt der Zäune.“ Im Übrigen träfe ein komplettes Alkoholverbot auch die große Mehrheit derjenigen, die in den Grünanlagen verantwortungsvoll Erholung suchen.

Björn Jotzo von der FDP hält das Alkoholverbot sogar für „Blödsinn. Sinnvoller wären alternative Angebote an Feiernde, ein Beleuchtungskonzept für den James-Simon-Park und eine Präsenz bezirklicher Kräfte des Ordnungsamts“.

Und auch Peter Maaß – noch kein Abgeordneter, aber dafür Chef der Berliner Jusos – ist gegen Sperrstunden, Alkoholverbot und abgesperrte Parks in Berlin, wie er auf Twitter schreibt. „Junge Menschen mussten in den letzten Jahren auf vieles verzichten. Ihnen den öffentlichen Raum jetzt wegnehmen zu wollen, ist ein fataler Irrweg.“