Probleme bei Pegida: Mit Bachmanns Abgang fehlt die Führungsperson

Berlin - Pegida hat in den vergangenen Wochen die politische Agenda in Deutschland bestimmt. Doch die Bewegung ist auf dem absteigenden Ast. Wir nennen fünf Gründe.

Pegida hat die Unschuld verloren

„Wir da unten – Ihr da oben“ – das war der einfache Kontrast, aus dem Pegida anfangs seine Kraft bezog: Menschen wie Du und ich sprechen aus, was sie seit langem bedrückt. Doch nun zeigt sich, was Kritiker von Anfang an anprangerten: Im Hintergrund der Proteste ziehen Rassisten, Verschwörungstheoretiker und Demokratiefeinde die Fäden. Zur Legida-Demonstration in Leipzig haben nach Erkenntnissen des sächsischen Verfassungsschutzes die NPD, rechtsextreme Hooligans und die braune Kameradschaftsszene mobilisiert. Dass sich Pegida-Gründer Lutz Bachmann auf einem Selfie mit Hitlerbärtchen ablichtete, mag man mit sehr viel gutem Willen noch als ebenso geschmacklosen wie verunglückten Scherz entschuldigen.

Die Posts auf der inzwischen gesperrten Facebook-Seite sprechen eine eindeutige, widerliche Sprache. Da werden Politiker wie Claudia Roth unverschämt beleidigt und Ausländer als „Gelumpe“, „Dreckspack“ und „Viehzeug“ geschmäht. „Es gibt keine echten Kriegsflüchtlinge“, wird behauptet. Solche Ausfälle passen nicht zum Bürgertum, das nur mal eben etwas Frust ablassen will.

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Pegida hat keine charismatische Führungsperson.

Wer Kathrin Oertel am vergangenen Sonntag in der Talkrunde „Günther Jauch“ gesehen hat, der wird sich vor allem an ein strenges Gesicht erinnern. Die Pegida-Sprecherin hatte sichtliche Mühe, ihre Positionen auch nur halbwegs griffig zu formulieren. Da war Bachmann aus anderem Holz. Doch der Pegida-Gründer ist zurückgetreten. Dass er als Drogenhändler vorbestraft war, hätte den aufgebrachten Saubermännern auf den Dresdner Straßen vielleicht schon eher zu denken geben können – genauso wie die berufliche Vergangenheit des Sprechers der Leipziger Legida, Jörg Hoyer: Er verdiente sein Geld als NS-Devotionalienhändler.

Die Demonstrationen radikalisieren sich

Zu dem von Pegida gekaperten Slogan der DDR-Bürgerbewegung „Wir sind das Volk“ gehörte untrennbar die Parole „Keine Gewalt!“. Daraus bezogen die Bürgerrechtler ihre moralische Kraft. Zumindest bei der Leipziger Legida verschwimmen nun die Grenzen: Ein Reporter des Leipziger Uni-Lokalradios "mephisto 97,6" wurde nach Angaben des Senders von Demonstranten „beschimpft, bespuckt und angegriffen“. Ein Pressefotograf wurde, so die Leipziger Volkszeitung, „zu Boden geworfen und seine Ausrüstung zerstört“. Jegliche Form von Gewalt aber delegitimiert eine Bürgerbewegung – besonders, wenn sie für Recht und Ordnung zu kämpfen vorgibt.

Pegida hat keine politisch handhabbaren Ziele

Anfangs schien es ein Vorteil, dass die Dresdner Demonstranten eine Doppelstrategie fahren konnten: Ihr offizieller Forderungskatalog klingt halbwegs gemäßigt. Gleichwohl schwang in vielen Reden ein eindeutig islamfeindlicher Unterton mit. Das mag reichen, um eine Menge ein paar Mal zu mobilisieren.

Doch irgendwann müssen konkrete Forderungen an die Politik gerichtet und den Anhängern Erfolge präsentiert werden. Damit hatte Pegida-Sprecherin Oertel bei „Jauch“ schon erhebliche Schwierigkeiten. Dass sie als Auslöser für die Pegida-Proteste gegen die angebliche Islamisierung Deutschlands ausgerechnet die deutschen Waffenlieferungen an die kurdische PKK nannte, mit denen die Mörderbanden des Islamischen Staats (IS) abgewehrt werden sollen, klang jedenfalls einigermaßen widersprüchlich.

Je mehr Pegida auch in andere Städte abstrahlt, desto schwieriger wird es, klare Ziele zu definieren. Die Menge in Leipzig skandierte „Merkel muss weg“ und „Ami go home“. Das klingt angesichts der rekordverdächtigen Umfrage-Werte der Kanzlerin und der russischen Aggression in der Ukraine nicht unbedingt mehrheitsfähig. Von der angeblichen Bedrohung durch den Islam war bei Legida nur noch wenig die Rede. Dafür wurde die „Abschaffung der Kriegsschuldfrage“ und die „Wiedereinführung der deutschen Kultur“ gefordert.

Derart völkisch-nationale Parolen dürften die Frust-Bürger auf den Straßen keineswegs geschlossen teilen. Sie decouvrieren zugleich das Biedermann-Image der Bewegung. Mit den Verantwortlichen wird sich kein Vertreter irgendeiner demokratischen Partei an einen Tisch setzen. Das ahnt wohl auch Pegida-Frau Oertel, die nun mit einer Unterlassungsklage droht. Wenn sich die „Patrioten“ vor Gericht erst einmal über ihre Anliegen streiten, wird die Unterstützung der Bevölkerung rasch zurückgehen.

Der Ausnahmezustand kann nicht zur Normalität werden

Leipzig glich am Mittwoch einer Geisterstadt. Viele Geschäfte blieben geschlossen, die Schüler wurden schon mittags nach Hause geschickt, aus ganz Deutschland rückten 44 Hundertschaften Polizei an. Und das alles wegen 15.000 pöbelnder Frustbürger. Das kann nicht zur Normalität werden. Mit jeder Wiederholung nutzt sich der mediale Neuigkeitswert ab. Je länger die wöchentlichen Aufläufe dauern, ohne irgendwelche politischen Erfolge zu bringen, desto mehr wird sich das Ritual auch für die Teilnehmer abnutzen.

In nicht allzu ferner Zukunft könnten Polizei und Wirtschaftsverbände mal die Kosten dieses Spuks auflisten. Die Bürger wollen wieder einkaufen. Die Eltern ihre Kinder zur Schule schicken. Dann könnte sich die Politik auch wieder den wirklichen Herausforderungen zuwenden: Dem Ukraine-Krieg. Der Griechenland-Euro-Krise. Und, ja, auch den echten Gefahren durch gewaltbereite Islamisten.

Mit Stammtischparolen kann man keines dieser internationalen Probleme lösen.