Proteste statt Ferrari: Der IAA stehen schwere Zeiten bevor

Frankfurt/Main - 20 Prozent weniger Aussteller und eine Großdemonstration von Klimaschützern am wichtigsten Publikumstag, schrumpfender Absatz und ein schwieriger Umbau der gesamten Branche. Die Internationale Automobilausstellung 2019 in Frankfurt (12. bis 22. September) wird von einer multiplen Krise dominiert. Dennoch gibt sich der Veranstalter, der Verband der Automobilindustrie (VDA), beinahe trotzig: „Wir gehen mit Zuversicht in die IAA“, sagte Bernhard Mattes, Präsident der Autolobby auf der Auftakt-Pressekonferenz, die am Montag wohl auch in Anbetracht an der angespannten Lage eine Woche früher als bislang üblich stattfand.

Eine Großdemonstration inklusive Sternfahrt per Fahrrad ist für Samstag, 14. September, in Frankfurt geplant. Das ist just der Tag mit dem mutmaßlich größten Publikumsandrang bei der IAA. Ein Bündnis aus Umweltschutzverbänden und alternativen Verkehrsclubs, unterstützt von den Grünen und der Links-Partei, hat die Aktion in der Mainmetropole organisiert.

Aktivisten dürfen mitreden

Das Motto: „Aussteigen – raus aus dem Verbrennungsmotor“. Früher hat der VDA solche Veranstaltungen zur Messe ignoriert. Dieses Jahr wird eine Podiumsdiskussion vorgeschaltet. Am Donnerstag, 5. September, debattiert Mattes in Berlin mit Vertretern der Demoveranstalter. Außerdem lädt der VDA für den Vortag der Protests (also den 13. September) zu einem „öffentlichen Bürgerdialog“ in Frankfurt ein – mutmaßlich im Kongresszentrum Kap Europa.

So diskussionsfreudig hat sich die mächtige Lobby noch nie gezeigt. Es gehe darum, den „offenen und transparenten Dialog“ zu suchen, betonte Mattes. Greta Thunberg, Fridays für Future und die Debatte über die bislang ausgebliebene Verkehrswende: den Autobauern weht der Wind heftig ins Gesicht. Zumal bei vielen Umweltschützern die Tricks und Betrügereien bei Dieselmotoren, wodurch enorme Schadstoffmengen in die Luft geblasen wurden, nicht vergessen sind.

Der ID.3 als Star der IAA

Mattes betonte indes, dass die neuesten Modelle mit Verbrennungsmotor, die es auf der Autoshow zu sehen gebe, „eher zur Luftverbesserung beitragen.“ Doch im Mittelpunkt stünden „Premieren mit Elektroantrieb.“ Für den VDA-Präsidenten ist die Botschaft klar: „E-Mobilität wird auf nahezu alle Segmente ausgerollt.“ Sie halte auch Einzug in der Kompaktklasse. Ein Musterbeispiel dafür und ein „Star“ der IAA dürfte der ID.3 von Volkswagen werden.

Doch an diesem Fahrzeug wird auch ein Dilemma der Autoausstellung deutlich. Denn seit Wochen läuft im Internet eine extrem aufwendige Kampagne für den Stromer aus Wolfsburg. Die Motivation für den Messebesuch fehle, sagt Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer. Die E-Autos, meist noch Studien, seien schon vorher bekannt. Zudem stünden an die Ständen jede Menge SUV, die einerseits zu Protestaktionen von Umweltschützern herausforderten und andererseits in nahezu jedem Autohaus schon zu bestaunen seien.

Branche muss sparen

Auch Mattes räumt ein, dass in Zeiten der Digitalisierung eine Autoausstellung an Reiz verliere. Doch das ist nicht das einzige Problem des Messeveranstalters VDA, der sich in großen Teilen mit der IAA finanziert. Ein auf allen großen Märkten schrumpfender Absatz zwingt die Branche zu Sparprogrammen. Gleichzeitig muss die Transformation hin zur Elektromobilität gestemmt werden.

Messeauftritte, insbesondere bei der Frankfurter Kfz-Schau, sind aber enorm teuer, und ihre Wirkung fürs Marketing wird immer fragwürdiger. Deshalb haben mehr als 30 große und bekannte Namen abgesagt. Dazu zählt der weltweit zweitgrößte Autobauer Toyota. Und auch zahlreiche Luxushersteller, die früher viel Publikum angezogen hatten, sind nicht dabei. Probesitzen ist bei Ferrari und Maserati, Lotus und Aston Martin nicht mehr möglich. Die neuesten Boliden der Volkswagen-Marken Bugatti und Bentley glänzen ebenfalls durch Abwesenheit.

Die Messe als Auslaufmodell?

Nur noch rund 800 Aussteller werden in den Hallen vertreten sein. Bei der vorangegangenen IAA vor zwei Jahren waren es noch 994 gewesen. Die Größe der vermieteten Fläche ist um 16 Prozent geschrumpft. BMW und viele andere Hersteller haben ihre Stände verkleinert. Für Dudenhöffer ist klar: „Die Automessen müssen sich neu erfinden, um zu überleben.“

Der VDA macht hier erste Gehversuche: Die IAA wandele sich von einer Autoausstellung „hin zu einer umfassenden Plattform, auf der alle relevanten Akteure nachhaltiger, individueller Mobilität dieses Jahr noch vielfältiger präsenter sein werden“, erläutert Mattes, der sich vielfach aus dem Vokabular der Hightech-Firmen bediente. Genau an den Messen dieser Branche orientiert sich auch die neue IAA.

So wird der Konferenz-Anteil deutlich ausgebaut. Unter dem Motto „Beyond Mobility“ (zu deutsch: Jenseits der Mobilität) treten als Gaststars unter anderem Ginni Rometty, IBM-Chefin, Nico Rosberg, Ex-Formel-1-Weltmeister und mittlerweile „Greentech“-Unternehmer, sowie Ola Källenius auf. Wobei Letzteres als neuer Daimler-Chef ohnehin in Frankfurt sein muss. (RND, dpa)