Manchmal denkt man ja noch, dass so eine Demo gefälligst richtig politisch zu sein habe – mit etwas grimmiger Stimmung vielleicht, klarem Feindbild und handfesten Forderungen. Von wegen 68 und so. So ein Event, auf dem einfach jeder sagen kann, was er will und am Ende gesungen und getanzt wird – wen soll das beeindrucken? Bei „Pulse of Europa“ ist das anders. Da wird mit positiven Emotionen Politik gemacht. Vielleicht brauchen wir nichts mehr als das.
Die anderen machen ja Politik mit der Angst. Und sie tun das sehr erfolgreich. Angst schüren. Und dann an der Wahlurne die Früchte einsammeln. So läuft das jetzt von Washington bis Ost-Berlin. Beim „Pulse of Europe“ auf dem Berliner Gendarmenmarkt – und nicht nur dort – war das am Sonntag erneut anders. Der ganze Platz war gefüllt mit Menschen, die vieles trennt, aber eines eint: dass sie Europa nicht vor die Hunde gehen lassen wollen.
Jedermann-Redner durften von der Treppe des Konzerthauses jeweils maximal drei Minuten sprechen, wie ihnen der Schnabel gewachsen war. Dazwischen gab es ein Quiz mit Fragen wie: Wer hat die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft schon miterlebt? Hände hoch. Wer hat schon mal mit Erasmus studiert? Hände hoch. Oder auch: Wer hat sich schon mal in einen Menschen aus einem anderen europäischen Land verliebt? Hände hoch.
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„Pulse of Europe“ schafft Freude
Die Leute hatten Spaß. Am Ende wurde gesungen. Schließlich fassten sich die Leute an den Händen und tanzten. Da hatten sie noch mehr Spaß. Hätten die Tausenden über die Frage diskutiert, was genau denn nun geschehen müsse, um Europa zu retten, wären die Antworten vielleicht sehr unterschiedlich ausgefallen. Aber darum ging es gar nicht. Vielleicht ist es ohnehin wichtiger, sich über die Ziele einig zu sein statt über die Wege; denn in den Zielen bündeln sich die Werte. Es ging jedenfalls darum, sich gegenseitig zu versichern, dass es nicht mehr nur diese teils irren und teils abstoßenden Nationalisten gibt, die abends die Tagesschau bevölkern und Europa sowie den Rest der Welt vor die Wand fahren – sondern eben auch die anderen, die Lust haben auf Zusammenhalt.
Wenn die einen mit schlechten Gefühlen Politik machen, wollen die anderen mit guten Gefühlen Politik machen – eine andere Politik, versteht sich. So oder so schafft der „Pulse of Europe“ Freude.
Bitte mehr davon!