Putin und Lukaschenko kungeln wieder. Worüber entscheidet das Duo diesmal?
Die beiden Staatschefs treffen sich schon zum sechsten Mal in diesem Jahr. Viele Themen stehen auf der Agenda. Die ist jedoch streng geheim.

Mit keinem anderen Staatschef verabredet sich Wladimir Putin so häufig wie mit seinem zwei Jahre jüngeren belarussischen Kollegen Alexander Lukaschenko. Dieses Wochenende werden sich die beiden zum sechsten Mal in diesem Jahr treffen. So oft haben sich Putin und Lukaschenko im ganzen vergangenen Jahr gesehen. Es gibt offenbar dringenden Redebedarf zwischen Moskau und Minsk.
Während die Agenda für die nächsten Tage im Geheimen bleibt, verdeutlicht die geopolitische und ökonomische Lage der beiden Nachbarstaaten, um was es in Zavidovo (100 Kilometer nördlich von Moskau) und Sankt Petersburg gehen wird. Doch was besprechen Putin und Lukaschenko genau?
Litauen als gemeinsamer Feind
Ein Punkt könnte die Einführung von weitreichenden Sanktionen gegen Litauen sein. Seit vergangener Woche herrschen dort Transitbeschränkungen des Frachtverkehrs in die russische Exklave Kaliningrad. Mit Hinweis auf die EU-Sanktionen hat Litauen den Verkehr für Stahl- oder Eisenerzprodukte über sein Territorium gestoppt. Nicht sanktionierte Personen und Güter können jedoch weiterhin ins ehemalige Königsberg gelangen.
Der Grund für den Besuch könnte auch die Vorbereitung von Repressionsmaßnahmen gegen #Litauen sein, die der #Kreml vorbereitet und für die er Lukaschenko braucht.@LTembassyDE @LithuaniaMFA https://t.co/YrE0AHwls3
— Botschaft des Volkes von Belarus in Deutschland (@BelarusInDE) June 23, 2022
Russland reagierte erbost und spricht von einer Blockade. Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, drohte in einem Pressebriefing mit „praktischen Vergeltungsmaßnahmen“. In die gleiche Kerbe schlägt Nikolai Patruschew, Chef des mächtigen Nationalen Sicherheitsrats. Er kündigte „schwerwiegende Folgen für die Bevölkerung Litauens“ an. Auch Lukaschenko sieht das politische Vilnius als seinen Erzfeind an, da es die Demokratiebewegung in Belarus mit am stärksten unterstützt.
Greifen belarussische Truppen in der Ukraine ein?
Der nächste große Tagesordnungspunkt wird wohl der Krieg in der Ukraine sein. Putin hat Lukaschenko in den letzten Monaten derart unter Druck gesetzt, dass eine abermalige Fronteröffnung vom Norden nicht unrealistisch erscheint. Belarus hat in den vergangenen vier Monaten die russischen Streitkräfte logistisch und medizinisch unterstützt. Die Bombardierung Kiews und die kurzzeitige Einnahme des Kernkraftwerkes in Tschernobyl wurden zum Beispiel vom belarussischen Territorium aus geplant und durchgeführt. Sabotageaktionen von Bahnstrecken und Cyber-Angriffe auf die belarussisch-staatliche Bahn waren die Hauptgründe, weshalb der russische Angriff auf die ukrainische Hauptstadt vorerst verschoben wurde.
Darüber hinaus kündigte Lukaschenko im belarussischen Fernsehen eine massive Aufrüstung seines Militärs an. Putin hingegen fordert von seinem „Bruder“ entschlosseneres Handeln im Umgang mit der Ukraine. Lukaschenko war im Mai dieses Jahres „verwundert über die Länge des Krieges“. Moskau war wiederum der Garant für das politische und wirtschaftliche Überleben Lukaschenkos, nachdem die landesweiten Massenproteste im Sommer und Herbst 2020 niedergeschlagen worden waren und EU-Sanktionen gegen Belarus in Kraft traten. Valeri Kavaleuski, außenpolitischer Berater von Swetlana Tichanowskaja, befürchtet in einem Interview mit dem Daily Beast, dass ein „Eingreifen belarussischer Truppen in der Ukraine näher rücke.“
Belarusian volunteers of the regiment of Kastuś Kalinoŭski continue fighting on the frontline in Donbas, sharing some photos
— Euromaidan Press (@EuromaidanPress) June 22, 2022
Meanwhile, the Ministry of Defense of Belarus has announced "mobilization exercises" from June 22 to July 1 in the Gomel region which borders Ukraine. pic.twitter.com/etWz0gp39Y
Lukaschenko lavierte mit seiner Außenpolitik in den vergangenen zehn Jahren zwischen der EU und Russland. Einerseits ist er mit seinen Gefolgsleuten im Sicherheitsapparat von Putin abhängig, andererseits möchte er die internationalen Sanktionen loswerden. Ähnlich wie in Russland hat auch in Belarus ein Großteil der westlichen Unternehmen ihr Geschäft beendet, das Land wurde von Sportveranstaltungen disqualifiziert und ist vom europäischen Flugverkehr praktisch ausgeschlossen.
Versuche, sich als Vermittler zwischen Putin und Selenskyj zu positionieren, sind Teil der außenpolitischen Strategie Minsks. Schon nach den ersten Kriegstagen gab es Verhandlungen im belarussischen Gomel und im Bialowieza Urwald, die jedoch erfolglos blieben. Die belarussische Hauptstadt war zum Beispiel auch Namensgeber für die ersten beiden Friedensabkommen. Jedoch sieht die Ukraine ihren geographisch nördlichen Nachbar nicht als neutral an, nachdem die russische Invasion zum Teil von dort aus durchgeführt wurde.
Erkennt Belarus die sogenannten Volksrepubliken an?
Die Anerkennung der sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk könnte ebenfalls auf der Tagesordnung in Putins Heimatstadt stehen. Bisher gab es keine offizielle Anerkennung von belarussischer Seite, auch wenn Lukaschenko „Verständnis“ für Moskaus Handeln in der Ostukraine aufbringt. Die Beziehungen zwischen dem politischen Kiew und Minsk wären bei einer diplomatischen Anerkennung der Separatistengebiete endgültig vorbei.
Ebenfalls forcierte Putin zuletzt eine vertiefte Integration des belarussischen und russischen Staates. 28 Programmpunkte wurden im vergangenen Jahr zwischen den beiden osteuropäischen Ländern unterzeichnet. Die Punkte konzentrieren sich auf ökonomische und handelstechnische Fragen, wie gemeinsame Richtlinien im Bankenwesen, Renten- und Steuersystem, Zoll-, Finanz- und Energiepolitik und Landwirtschaft. Auch eine gemeinsame Militärdoktrin unterzeichneten Minsk und Moskau. Eine volle politische Integration wird von beiden Seiten bisher abgestritten, auch wenn klar ist, dass Moskau dies verstärkter vorantreibt als der Minsker Juniorpartner.