Queerer Empfang im Abgeordnetenhaus: Beschwingt-träge aber politisch wichtig
Der queere Empfang zur Pride Week geriet zu einem Stehrumchen mit Sekt, Wasser und Torte. Doch es wurde auch an den langen Kampf um Gleichberechtigung erinnert.

Es war heiß, an diesem heißesten Tag des Jahres im Berliner Abgeordnetenhaus. Sehr heiß. Das vielleicht nur zur Erklärung, warum niemand tanzte an diesem beschwingt-trägen und politisch so wichtigen Abend in Berlins Parlament.
An der Musik kann die gewisse Unlust zur schnellen Bewegung im Publikum jedenfalls nicht gelegen haben. Statt des Girls von Ipanema sang die Sängerin des Trios „easy living“ den Bossa-Nova-Klassiker vom Boy am berühmtesten Strand der Welt.
„Täglich träumt im weißen Sande,
der Boy von Ipanema am Strande,
und wenn er lächelt, sagt jedes Mädchen nur: Aah!“
Doch niemand tanzte zum hingesäuselten Geschmachte. Diese Hitze.
Parlamentspräsident Dennis Buchner hatte zu einem queeren Empfang anlässlich der Pride Week geladen, die am Sonnabend mit der Parade zum Christopher Street Day zum Brandenburger Tor ihren Höhepunkt finden soll. Es war dies der erste Empfang zu diesem Anlass in der Geschichte des Abgeordnetenhauses, wie Buchner wusste.
Buchner schwärmte ein wenig von Berlin, „der Stadt der Freiheit und Vielfalt“, wie er sagte. Nicht zufällig wehe seit Ende Juni die Regenbogenfahne vor dem Hohen Hause. Es seien diese Qualitäten Berlins, die viele erst bewegt hätten, in die Stadt zu kommen, sagte Buchner– und schloss sich selbst mit ein, als er von „uns“ sprach. Er stammt aus Lübeck.
An diesem Abend ging es aber weniger um die Herkunft als um die Freiheit zu sein, wie man ist oder sein will. Die meisten im Saal wollten’s in ihrer Lebensweise eher bunt.
Und wurden dabei politisch-ideell unterstützt von einiger parteipolitischer Prominenz. Die Linken-Bundestagsabgeordnete Petra Pau war ins Abgeordnetenhaus gekommen. Auch die langjährige FDP-Spitzenpolitikerin und Frauenrechtlerin Carola von Braun ließ sich mal wieder an alter Wirkungsstätte blickte.
Voller Genugtuung blickte die 79-Jährige in den Saal. Nein, so etwas wäre zu ihrer Zeit nicht denkbar gewesen, so viel gesellschaftliche Anerkennung und Zuspruch für Menschen mit allen möglichen Lebensweisen.
Doch ist jetzt alles gut? Natürlich nicht. Daran erinnerten in ihren Wortbeiträgen Vertreterinnen und Vertreter von Maneo, einem mittlerweile mehr als 30 Jahre altem schwulen Anti-Gewalt-Projekts des Vereins Mann-O-Meter, vom Lesben- und Schwulenverband LSVD, vom Schwulen Museum Berlin und nicht zuletzt von den Organisatoren der Christopher-Street-Day-Parade am Sonnabend. Sie berichteten von langen Kämpfen für Gleichberechtigung, aber auch von alltäglicher Herabwürdigung, Ausgrenzung und auch Gewalt.
Doch es sollte ein zwar durchaus ernsthafter Abend werden, jedoch kein wütender. Eher einer des Gesprächs und der guten Laune. Und natürlich des Zuhörens. Wie ging`s gleich weiter beim Boy von Ipanema?
„Heute im Vorübergehen,
da glaubte ich, mein Herz bleibt stehen,
Als er ganz flüchtig nur in die Augen mir sah.“
Danach ging`s weiter gegenüber in der Wandelhalle des Abgeordnetenhauses. Aktivisten des Schwulen Museums hatten dort „Love At First Fight“ aufgebaut, eine Ausstellung, die an wichtige Wendepunkte queeren Aufbegehrens weltweit erinnert. Vor drei Jahren ist die Schau in New York gestartet, jetzt ist sie in Berlin angekommen.
New York könnte als auch als Vorbild für Sebastian Czaja dienen. Oder Brüssel. Oder San Francisco. Überall dort gebe es Zebrastreifen in Regenbogenfarben, erzählte der Vorsitzende und Sprecher für LGBTI der FDP-Fraktion. Er wünsche sich das auch für Berlin, als Zeichen für Freiheit und Vielfalt, sagte Czaja der Berliner Zeitung. Bisher vergebens.