Neuer Streit droht: Rabbiner-Ausbildung soll Stiftung werden
In Potsdam wird die Rabbiner-Ausbildung neu strukturiert. Die Jüdische Gemeinde zu Berlin ist mit den Vorschlägen des Zentralrats nicht einverstanden.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland will die Rabbiner-Ausbildung in Potsdam in einer Stiftungskonstruktion weiterführen. Damit würde der Rabbiner-Ausbildung am Abraham Geiger Kolleg ein Neustart ermöglicht, so der Zentralrat, der am Donnerstag einen von dem Religionsverfassungsrechtler Gerhard Robbers entwickelten Strukturentwurf für die liberale und konservative Rabbinerausbildung am Standort Potsdam veröffentlichte. In der Empfehlung wird die Gründung einer religionsgemeinschaftlichen Stiftung durch den Zentralrat der Juden in Deutschland vorgeschlagen. Unter dem Dach der Stiftung sollen jeweils in religiös eigenständigen Einrichtungen liberale und konservative Rabbiner ausgebildet werden. Damit wäre die „Ära Homolka“ in der Rabbinerausbildung Geschichte, weil dem Vernehmen nach weder der langjährige Rektor Walter Homolka noch eine ihm nahestehende Person Chancen haben dürfte, in den Beirat der Stiftung aufgenommen zu werden. Homolka hatte seine Funktionen in der Ausbildung abgegeben und seine Gesellschafteranteile an die Jüdische Gemeinde zu Berlin überschrieben. Gegen Homolka war der Vorwurf des Machtmissbrauchs erhoben worden, der Zentralrat hatte ein unabhängiges Gutachten in Auftrag gegeben, das in einem vorab veröffentlichten Executive Summary die Vorwürfe als teilweise zutreffend klassifizierte. Homolka bestreitet alle Vorwürfe. Er hat noch eine Professur an der Universität Potsdam inne. In welchem Bereich er als Lehrender Tätig wird, wenn die jüdische Theologie in der Rabbinerausbildung anderweitig besetzt wird, ist noch unklar.
Der Präsident des Zentralrats, Josef Schuster, sieht in dem nun vorgelegten Vorschlag einen wichtigen Schritt für die Zukunft der Rabbiner-Ausbildung: „Wir haben nun einen klaren Fahrplan. Mit der Neugründung der Rabbiner-Ausbildungsstätten in Form einer religionsgemeinschaftlichen Stiftung wird der Zentralrat der Juden für diese eine trag- und förderfähige Struktur schaffen. Im Vordergrund steht, für die Studierenden und Beschäftigten eine sichere Perspektive zu bieten, die Lehre nachhaltig zu sichern und verloren gegangene Glaubwürdigkeit wiederherzustellen.“ Schuster sagte, mit den „vorliegenden Erkenntnissen zum Machtmissbrauch, der Diskriminierungen und der vorherrschenden Kultur der Angst an den Rabbiner-Ausbildungsstätten“ könne es kein „Weiter so“ geben: „Ein Neuanfang ist notwendig.“
Gegenwärtig befindet sich die Trägerschaft der noch als Kapitalgesellschaften organisierten Ausbildungsstätten bei der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. „Die Übernahme der Rabbiner-Ausbildungsstätten durch die Jüdische Gemeinde zu Berlin geschah in bester Absicht. Die Förderung der Rabbiner-Ausbildung in der vorliegenden Trägerstruktur ist für den Zentralrat jedoch nicht möglich. Auch dies macht die Neugründung notwendig, um den Bedarf an religiösem Personal aller Jüdischen Gemeinden in Deutschland dauerhaft gewährleisten zu können“, so Schuster.
Die Stiftungskonstruktion wird allerdings vermutlich erst zum Wintersemester stehen. Bis dahin hat der Zentralrat der Jüdischen Gemeinde das Angebot einer Übergangsfinanzierung gemacht. Die Gemeinde hat diesen Vorschlag noch nicht angenommen. Wenn die Kapitalgesellschaften nicht in die Insolvenz geschickt werden, müsste die Jüdische Gemeinde die Finanzierung selbst stemmen. Es steht eine Summe in der Größenordnung von einigen Hunderttausend Euro im Raum, die aufzubringen wäre. Auf öffentliche Gelder kann dagegen die Stiftung zählen, weil sich der Zentralrat verpflichtet hat, die Rabbinerausbildung in der neuen Struktur zu finanzieren. In diesem Fall ziehen die öffentlichen Geldgeber im Regelfall mit. Betroffen von den Veränderungen sind etwa zehn Mitarbeiter.
Die Jüdische Gemeinde sieht die Aktivitäten des Zentralrats kritisch: Bereits im vergangenen Jahr sei vonseiten des Abraham Geiger Kollegs der Vorschlag unterbreitet worden, die Trägerschaft der Rabbinerausbildung in eine Stiftung zu überführen, so die Gemeinde in einer Aussendung. Dies habe der Zentralrat damals abgelehnt. Jetzt selbst die Idee einer Stiftung als der Weisheit letzter Schluss in die Öffentlichkeit zu tragen, sorge „nicht nur auf Seiten der Jüdischen Gemeinde zu Berlin für Irritationen“. Der im Auftrag des Zentralrats veröffentlichte Bericht verkenne die „aktuelle Sach- und Rechtslage vollständig“. Er basiere „anscheinend auf dem Stand vor der Übernahme der Trägerschaft durch die Jüdische Gemeinde zu Berlin“. Mehrfache Gesprächsanfragen seitens der Gemeinde an den Zentralrat seien ignoriert worden. Stattdessen hatder Zentralrat nun alte Vorschläge veröffentlicht, „ohne die Gemeinde einzubeziehen oder wenigstens vorab darüber zu informieren“.
Der Zentralrat habe zudem ohne jede Rechtsgrundlage die Auszahlung der zweckgebundenen Bundesmittel für das Abraham Geiger Kolleg eingestellt. Er behindere damit die Rabbinerausbildung in Deutschland massiv, die er doch eigentlich zu schützen vorgibt. Dazu der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe: „Das Gebaren des Zentralrates ist Machtmissbrauch in Reinform. Diesen feudalen Allmachtsfantasien alter weißer Männer werden wir uns nicht beugen. Wir sind überzeugt, dass auch die staatlichen Zuwendungsgeber diesem unsäglichen Treiben ein baldiges Ende setzen werden. Wodurch der Zentralrat seinen alleinigen Führungsanspruch bei der Rabbinerausbildung begründet sieht, ist nicht nachvollziehbar. Mit der Führung der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg ist er jedenfalls schon einmal grandios gescheitert, wie der Rechnungshof des Landes Baden-Württemberg bereits im Jahre 2016 festgesellt hat.“
Nach den Turbulenzen an der Rabbinerschule Abraham Geiger Kolleg in Potsdam hatte die jüdische Gemeinde zu Berlin erst kürzlich den Rabbiner Andreas Nachama als neuen Schulleiter benannt.