Rechter Terror: Die verschwiegene Gefahr

Rechter Terror spielt im Wahlkampf kaum eine Rolle, obwohl rassistisch motivierte Anschläge zugenommen haben. Analyse über eine politisch wenig bedachte Gefahr.

Im Gegensatz zu den Kandidierenden im Wahlkampf thematisieren große Teile der Bevölkerung Rechtsterrorismus als Bedrohung. Wie hier auf der #unteilbar-Demo in Berlin.
Im Gegensatz zu den Kandidierenden im Wahlkampf thematisieren große Teile der Bevölkerung Rechtsterrorismus als Bedrohung. Wie hier auf der #unteilbar-Demo in Berlin.imago

Berlin-Manchmal verrät das, was nicht gesagt wird, mehr als manche wohlplatzierte Parole. Mit der scheidenden Bundesregierung endet nicht nur die Ära Angela Merkel, sondern auch eine Legislaturperiode, in der sich rechtsterroristische Taten häuften. Die Anwärter auf die nächste Regierung verlieren darüber bemerkenswert wenige Worte.

Auch wenn Annalena Baerbock (Grüne) im Vergleich zu Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) dem Thema Rassismus die meisten Minuten Redezeit schenkte, und alle drei Kanzlerkandidaten einer Koalition mit der AfD kategorisch absagten – die Öffentlichkeit scheint an einer Debatte darüber wenig zugelassen. Dabei bewegt sie die Bevölkerung.

Attentate in Halle und Hanau, Mord an Walter Lübcke

„Den Kampf gegen Rechtsextremismus, also der Kampf für die Demokratie ist für viele Menschen wichtig. Im Wahlkampf fehlt, das mit programmatischer Ernsthaftigkeit zu bedenken“, sagt Matthias Quent, Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft Jena. Quent vermutet, die demokratischen Parteien wollen der AfD nicht in die Karten spielen, sondern eigene Themen setzen. Nachteil dieser Strategie: Gerade von Rassismus Betroffene fühlen sich so nicht angesprochen.

Ein Großteil der Bevölkerung empfindet den Rechtsterrorismus als akute Gefahr. In der aktuellen „Mitte“-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung stimmten etwa über 70 Prozent der Befragten der Aussage zu, der Rechtsextremismus sei eine Bedrohung. Die Zustimmung war, das geht auch aus der Studie hervor, bei keinem anderen abgefragten Faktor so hoch.

Ein Rückblick erinnert an die Gründe: Der nach dem „Sommer der Migration“ im Jahr 2015 entfesselte gewalttätige Rassismus setzt sich in jährlich weit über tausend gezielten Attentaten auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte fort. Im Jahr 2018 macht ein Potpourri nazistischer Gruppen in Chemnitz Hetzjagd auf alle, die ihnen in die Quere kommen: Journalistinnen, Linke, Polizei und Menschen mit vermeintlicher Einwanderungsgeschichte.

Im  Juni 2019 ermordet ein bekannter Rechtsextremer den Kassler CDU-Politiker Walter Lübcke. Im Oktober desselben Jahres versucht ein rechtsterroristischer Attentäter eine Synagoge zu stürmen. Er tötet zwei Personen. Im Februar 2020 ermordet ein rassistischer Täter neun Menschen im hessischen Hanau. Eine vollständige Liste würde mehrere Seiten füllen.

Ein Demokratiefördergesetz - blockiert von der CDU

Es ist nicht so, als habe die Regierung das nicht erkannt. Nach dem Anschlag in Hanau zählte die Bundeskanzlerin die Namen der Ermordeten auf, sie sagte: „Rassismus ist ein Gift“. Diese diskursive Deutlichkeit sei neu, sagt Matthias Quent. Zum Vergleich: Als ein rechter Täter 2016 in München neun Menschen erschoss, dauerte es Jahre, bis die Tat öffentlich als rassistisch benannt wurde. Bis dahin sprachen die Sicherheitsbehörden von „Amok“.

Die Bundesregierung berief nach dem Anschlag in Hanau einen Kabinettsausschuss gegen Rechtsextremismus und Rassismus ein, der im Mai dieses Jahres ein Paket von 89 Maßnahmen beschloss. Doch schon jetzt sind zentrale Punkte gescheitert – so wie das „Wehrhafte Demokratie-Gesetz“, das Bildungsinitiativen, die gegen Rechtsextremismus arbeiten, langfristig fördern sollte. Bislang arbeiten Projektmitarbeiter in Dauerprekarität, müssen Projektgelder beantragen, Stellen sind oft befristet. Am Ende scheiterte das Gesetz allerdings am Veto einer Partei: der CDU.

Laschet schiebt Verantwortung von sich

Bei genauerer Betrachtung umschifft deren Kanzlerkandidat Armin Laschet das Thema in seinen Reden zum Wahlkampf fast stoisch. So sagte der CDU-Mann zwar in der letzten Sondersitzung des Bundestages: „Der Rechtsterrorismus ist die größte Gefahr in diesem Land.“ Und weiter: „NSU – das war ein Staatsversagen ohne jeden Zweifel“. Auf jedes weitere Wort zu dieser „größten Gefahr“ wartete die Zuhörerschaft jedoch vergebens.

Stattdessen folgte eine mehrere Minuten anhaltende Aufzählung von Schlagworten. Laschet sprach vom „fundamentalistischen Terrorismus“, von „Clankriminalität“, von Anis Amri, dem Attentäter vom Breitscheidplatz. Er sprach von Abschiebungen und von den islamistischen Attentaten in Paris. Er nannte Afghanistan und Al-Qaida. Klingt sie so, die Suche nach einem Umgang mit dem Rechtsterrorismus?

Maaßen: Gefährliches Bedürfnis nach Zusammenhalt der CDU

„Da werden Dinge zusammengeschoben, die miteinander nichts zu tun haben, im Gegenteil, sich sogar gegenseitig verstärken oder aufeinander beziehen“, sagt Matthias Quent. Das sei eine Rhetorik der Externalisierung. „Durch dieses gemeinsame Abwatschen von Dingen, die aus Sicht von Herrn Laschet nicht zur Gesellschaft gehören, entledigt er sich der Verantwortung“, so Quent.

Der Kanzlerkandidat suggeriere, die Bedrohung käme von einem konstruierten Außen, vom extremen Rand. Nicht etwa aus der Mitte einer Gesellschaft, die in ihrer Geschichte in wiederkehrenden Episoden rechtsterroristische Netzwerke produziere und toleriere. Dabei zeigen Studien seit Jahrzehnten: Rassismus ist ein Phänomen jener vielbeschworenen Mitte.

„Im besten Fall wäre diese Erkenntnis eine Einladung zur Selbstreflexion“, sagt Quent. Eine parteipolitische Beschäftigung mit den Faktoren, die auch in ihren eigenen Lagern rechtsextreme Positionen zulassen. So wie im Fall Hans-Georg Maaßen. Dass sich die CDU vom Thüringer Bundestagskandidaten und ehemaligen Verfassungsschutzvorsitzenden zu distanzieren weigert, interpretiert Quent als Ausdruck tiefer Verunsicherung. „Das ist ein gefährliches Bedürfnis nach Zusammenhalt in der Partei. Man traut sich nicht, mit dem Rechtsaußen vom eigenen Fleisch Klartext zu sprechen“, sagt Quent. „Man braucht selbst die Stimmen des Maaßen-Lagers“.