Berichte über Zwang bei „Referenden“ in russisch kontrollierten Gebieten der Ukraine
In den russisch kontrollierten Gebieten in der Ukraine sind am Freitag trotz internationalen Protesten sogenannte Referenden zur Annexion durch Russland begonnen.

In den vier von Russland weitgehend besetzten ukrainischen Gebieten sind mehrere Millionen Einwohner zu Scheinreferenden über den Beitritt zu Russland aufgerufen. Die Abstimmung, die vom 23. bis 27. September laufen soll, wurde erst diese Woche angekündigt. Moskau will sich mit Hilfe des Ergebnisses die Gebiete einverleiben. Weder die Ukraine noch die internationale Gemeinschaft werden die Abstimmung unter der Besatzungsmacht Russland anerkennen.
Einem Deutschlandfunk-Bericht zufolge, bestätigte der ukrainische Gouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj, die Befürchtungen, dass die russischen Besatzungsbehörden Zwang anwenden. Funktionäre sollen demnach erklärt haben, wer nicht abstimme, verliere seine Arbeit.
Während die Stimmzettel in den Gebieten Luhansk und Donezk ausschließlich auf Russisch formuliert sind, werden sie in Saporischschja und Cherson zweisprachig sein. Einem örtlichen Medienbericht zufolge seien im Donezker Gebiet bereits 1,5 Millionen Stimmzettel für die gleiche Zahl an registrierten Wählern gedruckt worden. Insgesamt sollen dort mehr als 450 Wahllokale vorbereitet worden sein. Vor 2014 hatte das Donezker Gebiet noch mehr als 3,6 Millionen Wahlberechtigte. Im Gebiet Cherson gaben die Machthaber offiziell 750 000 registrierte Wähler und knapp 200 Wahllokale an.
Während im Luhansker Gebiet die Wahllokale von 8.00 bis 16.00 Uhr Ortszeit (7.00 bis 15.00 MESZ) geöffnet sein sollen, kann im Donezker Gebiet von 8.00 bis 20.00 Uhr abgestimmt werden. Im südukrainischen Gebiet Saporischschja sollen wiederum knapp 400 Wahllokale nur am 27. September von 8.00 bis 16.00 Uhr geöffnet sein. An den anderen drei Tagen sollen aus Sicherheitsgründen zwischen 8.00 und 16.00 Uhr Wahlhelfer von Wohnung zu Wohnung gehen. In diesem Gebiet soll es noch mehr als 500 000 Wahlberechtigte geben. Vor dem Kriegsausbruch waren es noch mehr als 1,3 Millionen. Die Gebietshauptstadt Saporischschja steht weiter unter ukrainischer Kontrolle. Überprüfen lassen sich die Angaben nicht.
Im russischen Gebiet Rostow sollen zudem 135 Wahllokale für Flüchtlinge aus den vier Gebieten öffnen. Unterdessen rief Kiew die Männer in den Gebieten nochmals zur Flucht auf, da diese nach der Einverleibung des Territoriums durch die Russische Föderation auch in die russische Armee eingezogen werden können.
Kreml-Sprecher Peskow: „Sicherheit ist garantiert“
Der Kreml geht bei den Scheinreferenden in den besetzten ukrainischen Gebieten von einem Ja für einen Beitritt zu Russland aus und hat eine rasche Annexion der Gebiete angekündigt. Das Verfahren für eine Aufnahme der Regionen könne schnell gehen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Nachrichtenagenturen zufolge am Freitag. Zugleich betonte er, dass dann Versuche der Ukraine, sich die Gebiete zurückzuholen, als ein Angriff auf die Russische Föderation gewertet würden. Kremlchef Wladimir Putin hatte bereits erklärt, die Gebiete mit allen Mitteln zu verteidigen.
„Zunächst gehen wir davon aus, dass die Sicherheit garantiert ist für das entsprechende Niveau der Abhaltung der Referenden “, sagte Peskow. Die vom Westen und der Ukraine nicht anerkannten Scheinabstimmungen sind am Morgen in den von russischen Truppen besetzten Teilen der Gebiete Donzek, Luhansk, Saporischschja und Cherson angelaufen. Die Menschen dort haben bis Dienstag Zeit, über die Frage zu entscheiden, ob sie für oder gegen einen Beitritt zur Russischen Föderation sind.
Russland beruft sich auf das „Selbstbestimmungsrecht der Völker“. Weder die Ukraine noch die internationale Gemeinschaft erkennen diese Abstimmung unter der Besatzungsmacht Russland und bewaffneten Truppen an. Es handelt sich um Scheinreferenden, weil sie ohne Zustimmung der Ukraine, unter Kriegsrecht und nicht nach demokratischen Prinzipien ablaufen. Auch eine freie Arbeit internationaler unabhängiger Beobachter ist nicht möglich.
Zugleich machte Kremlsprecher Peskow deutlich, dass es derzeit keine Grundlage gebe für Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew. Präsident Wladimir Putin habe erklärt, dass die ukrainische Regierung aus den Gesprächen ausgestiegen sei und entschieden habe, den Konflikt auf dem „Schlachtfeld“ zu entscheiden. Putin habe darauf reagiert, meinte Peskow. Der Kremlchef hatte wegen Rückschlägen bei seinem Angriffskrieg gegen das Land in dieser Woche eine Teilmobilmachung angeordnet, um mehr Personal zu haben für die Kämpfe.
Ukraine verurteilt Scheinreferenden als „Propagandashow“
Die Ukraine hat die von Russland organisierten Scheinreferenden in den besetzten Gebieten im Osten und Süden des Landes als „ Propagandashow “ des Kreml bezeichnet. „Heute gibt es in den besetzten Gebieten keinen juristischen Vorgang, der „Referendum“ genannt werden kann“, schrieb der Berater des Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, am Freitag im Kurznachrichtendienst Twitter. Die „Show“ diene lediglich als Hintergrund für die Teilmobilmachung in Russland. Zugleich sagte Podoljak, dass die besetzten Gebiete „unverzüglich befreit“ werden müssten.
Once again about the crucial. Today, there is no legal action called a "referendum" in the occupied territories. There is only –
— Михайло Подоляк (@Podolyak_M) September 23, 2022
1. Propaganda show for z-conscription.
2. The territory of Ukraine that needs an immediate release.
In den russisch kontrollierten Teilen der Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson begannen Scheinreferenden über den Beitritt zu Russland. International wurden diese bereits als juristisch nichtig bezeichnet. Kiew drohte den Organisatoren des Vorgangs mit Strafverfolgung wegen Hochverrats. Zudem werde vor allem bei Mitarbeitern staatlicher Verwaltungen die Annahme russischer Pässe rechtlich geahndet. In den Gebieten gibt es viele Kollaborateure.
Russland war am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert. Im Zuge einer Gegenoffensive hatten die ukrainischen Streitkräfte die russischen Truppen aus dem nordostukrainischen Gebiet Charkiw weitgehend vertrieben. Dennoch steht weiter einschließlich der 2014 nach einem umstrittenen Referendum annektierten Halbinsel Krim knapp 20 Prozent des ukrainischen Territoriums unter russischer Kontrolle.
