Verwechslung mit Duma-Abgeordnetem: Dieser Putin-Freund darf nach Venedig
Bilder zeigen einen russischen Abgeordneten beim EU-Urlaub. Zeitungen berichten, er dürfe nicht einreisen. Doch das ist falsch. Der Mann ist legal hier.

In den sozialen Medien spielt sich derzeit eine Verwechslungsgeschichte ab. Nachdem der russische Abgeordnete Vladimir Plotnikov Bilder von seinem Sommerurlaub in Venedig und Kroatien gepostet hatte, empörten sich viele Nutzer, dass der Putin-Freund trotz Sanktionen in der Europäischen Union Urlaub machen könne. Doch die Vorwürfe beruhen auf einer Verwechslung.
Beim Plotnikov auf Instagram handelt es sich nicht um einen Moskauer Duma-Abgeordneten, der mit Sanktionen belegt ist, sondern um einen gleichnamigen Abgeordneten des Permer Stadtparlaments. Beide Parlamentarier sehen zum Verwechseln ähnlich aus.

Im Gegensatz zu seinem Moskauer Namensvetter steht „der Urlauber“ jedoch auf keiner Sanktionsliste. Der Permer Plotnikov darf ganz legal Bootsfahrten durch die malerische Lagune unternehmen oder einen Villenurlaub an der kroatischen Adriaküste buchen.
Ob es jedoch Sinn ergibt, nur die Abgeordneten der Staatsduma zu sanktionieren, wie es die EU pflegt, ist eine Frage. Denn in seiner Haltung zur Ukraine unterscheidet sich der Regional-Plotnikov kaum von seinem Moskauer Doppelgänger.
#Russland aktuell.
— Botschaften der Russischen Lügeration (@lugeration) July 16, 2022
❗️Trotz Bedenken, ob der Dekadenz des Westens, verbringt Vladimir #Plotnikov (Mitglied der Staatsduma von #Russland), aktuell seine Ferien traditionell in #Italien.
👉 Schiff Ahoi, Du verlogenes 🐷 pic.twitter.com/jaDDVgXoAy
So ist eine der Forderungen des Lokalpolitikers eine „patriotische Schuldbildung“, da zu viele Studenten die spezielle Militäroperation ablehnen würden. Plotnikov ist seit 2016 in der Stadt-Duma von Perm und steinreich. Umgerechnet fast vier Millionen Euro soll das Jahreseinkommen des russischen Politikers betragen, der offiziell keiner Partei angehört und Vizepräsident des russischen Judo-Verbandes ist, dem Lieblingssport von Wladimir Putin.
Plotnikov soll in seiner Heimat mehrere Luxus-Anwesen besitzen sowie eine Wohnung in Spanien. Bilder in sozialen Netzwerken zeigen, wie der 59-Jährige in verschiedenen europäischen Städten und Resorts seinen Urlaub verbringt.
Wie kommt man von Perm nach Venedig?
Während also Plotnikov den Krieg seiner Landsleute in der Ukraine unterstützt, verbringt er zeitgleich seinen Sommerurlaub beim Markusdom oder im azurblauen adriatischen Meer. Auf Instagram sieht man Fotos mit seiner Tochter Sofia, einer Nachwuchstennisspielerin. Ein Selfie machten sie während einer Bootstour in Venedig, ein anderes Bild zeigt die beiden in der Lobby eines luxuriösen Fünf-Sterne-Hotels auf der Halbinsel Istrien in Kroatien.
Doch wie kommt ein regimetreuer Parlamentsabgeordneter in Zeiten des größten europäischen Landkrieges seit 1945 überhaupt physisch nach Italien und Kroatien? Welche Behörde hat dem Abgeordneten und seiner Tochter die benötigten Visa ausgestellt?
Schon während der ersten Kriegsstunden, Ende Februar 2022, monierte Michael Roth den europäischen Umgang mit russischen putinnahen Oligarchen und ihren Familien. „Sie müssen spüren, dass sie hier nicht willkommen sind, weil sie Putins System Jahre gestützt haben“, so der Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages. „Oft leben diese Leute in Paris, London, Berlin oder Rom, schicken ihre Kinder auf Schulen im Westen, investieren hier Geld und machen Urlaub“, so Roth. Dabei würden auch Maßnahmen gegen Russlands Milliardäre „dem oligarchischem System Putin das Wasser abgraben“.
#Sanktionen | Michael Roth, Vors. d. Auswärtigen Ausschusses, fordert, dem russischen #Oligarchen-System finanziell das Wasser abzugraben. Es mache ihn wütend, dass Millionäre & Milliardäre Privilegien des freien Europa genießen | @MiRo_SPD @ErhardScherfer @spdbt #Ukraine pic.twitter.com/kIFdcPYeOC
— phoenix (@phoenix_de) February 24, 2022
In der Realität des Sommers 2022 sind die Plotnikovs jedoch vergleichsweise einfach in die Europäische Union gelangt. Wenige Tage vor der Bootstour in Venedig posierte die Tochter für Fotos am Bosporus. Aus Moskau fliegen täglich mehrere Airlines in die Türkei, unter anderem nach Istanbul, Ankara, Bodrum und Antalya. Von dort aus gelangen Oligarchen und Politiker per Flugzeug oder Jacht in andere Mittelmeeranrainer. Ähnliche Umstiegsflughäfen sind Abu Dhabi, Dubai und Doha.
In sozialen Netzwerken beschweren sich User über den Russen-Besuch vor der Haustür. Ein kroatischer Twitter-Nutzer bittet die beiden, wieder „nach Hause zu fahren“. Auffallend viele Kommentare solidarisieren sich mit der Ukraine. Besonderen Unmut bekam Sofia Plotnikova für einen Post im März 2022 aus Dubai zu spüren. „Wir werden mit allen Schwierigkeiten fertig werden! Russland ist das stärkste Land. Diese ganze Situation hat noch mehr Russen zusammengebracht! Wir sind noch patriotischer geworden“, verbreitete die 20-Jährige.
Wo bleiben russische Touristen im Sommer 2022?
Die Maßnahmen der westlichen Staatengemeinschaft gegenüber Russland sind umfassend. Seit dem Beginn der Invasion hat eine Vielzahl von Unternehmen ihr Russland-Geschäft beendet. Flugverbindungen sind gekappt, wodurch weniger russische Touristen diesen Sommer nach Europa kommen werden.
Viele Russen wenden sich deshalb ab und planen ihren Urlaub anderswo – entweder im eigenen Land oder im Nahen Osten und in Südostasien. So gibt es an der russischen Schwarzmeerküste zunehmend mehr Luxusresorts und Traumvillen. Sotschi und Gelendschik sind zwei solcher Orte. Auch ein monumentaler Palast von Wladimir Putin soll sich dort laut einer Recherche von Alexej Nawalny befinden. Weitere beliebte Reiseziele innerhalb Russlands sind Karelien sowie der Finnische Meerbusen mit der sogenannten Petersburger Riviera oder ein Datschenurlaub in Sibirien, zum Beispiel im Altai-Gebirge.
Außerhalb Russlands erfreuen sich besonders Reiseziele in Asien großer Beliebtheit. An der türkischen Mittelmeerküste sind Bodrum und Antalya erschwingliche Urlaubsorte für die russische Mittelschicht. Menschen mit einem größeren Geldbeutel zieht es auf die arabische Halbinsel, auf die Malediven, nach Indien oder Thailand.