Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew: Vom liberalen Hoffnungsträger zum Hetzer

Einst galt Dmitri Medwedew als liberales Gesicht des Putin-Regimes. Mittlerweile hat er sich jedoch zu einem rassistischen Hetzer entwickelt.

Medwedew ist untrennbar mit dem System Putin verbunden.
Medwedew ist untrennbar mit dem System Putin verbunden.AP/Dmitry Astakhov

Dmitri Medwedew galt einst als möglicher Reformer auf dem Weg zu einem offeneren Russland. Doch spätestens mit Beginn des Krieges gegen die Ukraine hat der russische Ex-Präsident eine radikale Kehrtwende vollzogen. Seine provokanten und düsteren Einwürfe sehen Beobachter als Beweis dafür, dass Medwedew fester als je zuvor an seinen politischen Ziehvater Wladimir Putin gebunden ist.

So schrieb Medwedew am Dienstag im Online-Dienst Telegram: „Ich hasse sie. Sie sind Bastarde und Degenerierte.“ Und weiter: „Sie wollen unseren Tod. Ich werde alles tun, um sie verschwinden zu lassen.“ Ob er damit Ukrainer meinte, US-Vertreter oder allgemein den Westen, ließ er offen.

Medwedew radikalisiert sich wie ganz Russland immer weiter

Die Botschaft irritierte selbst diejenigen, die in den vergangenen Wochen die Radikalisierung in Medwedews Rhetorik verfolgt hatten. Carl Bildt, während Medwedews Zeit als Präsident schwedischer Außenminister, schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter erstaunt: „Medwedew droht dem Volk der Ukraine mit Vernichtung.“

Dabei handelt es sich um denselben Mann, der als russischer Präsident einst einen Neustart in den Beziehungen zu Washington befürwortete, bei seinem Besuch in den USA 2010 mit dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama Hamburger aß und sich von Apple-Gründer Steve Jobs im Silicon Valley ein iPhone schenken ließ.

Medwedew war von 2008 bis 2012 russischer Präsident und von 2012 bis 2020 Regierungschef. Vielen galt er damals als Russlands große Hoffnung für Reformen. Seine Entwicklung scheint exemplarisch für das Land, das während der vergangenen zwei Jahrzehnte von einem potenziell zuverlässigen Partner im internationalen System zu Isolation und Radikalismus umgeschwenkt ist.

Mit dem Schicksal Putins verbunden

Ben Noble vom University College London sieht in Medwedews Äußerungen den Versuch, seine Relevanz und Loyalität zu demonstrieren, „in einem System, das merklich angriffslustiger geworden ist und weniger tolerant gegenüber Graustufen“.

Dmitri Medwedew galt als das liberale Gesicht der Putin-Politik. Hoffnungen in ihn haben sich jedoch mittlerweile zerschlagen.
Dmitri Medwedew galt als das liberale Gesicht der Putin-Politik. Hoffnungen in ihn haben sich jedoch mittlerweile zerschlagen.Imago/Yekaterina Shtukin

Möglicherweise unterwirft er sich deshalb dem System Putins. Denn während seiner Zeit als Präsident konnte Medwedew nie wirklich aus dem Schatten des Diktators treten, dem er seine politische Karriere verdankt. Putin, der wie Medwedew aus St. Petersburg stammt, gab 2008 sein Amt als Präsident auf und wurde Ministerpräsident, um nicht gegen die russische Verfassung zu verstoßen.

Medwedew übernahm für Putin. In einer Ämterrochade gab Ersterer die Präsidentschaft 2012 dann wieder an Letzteren ab und wurde seinerseits Ministerpräsident. Seit 2020 ist Medwedew stellvertretender Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrats.

Nach rund 20 Jahren im politischen Geschäft der Systempartei Einiges Russland ist Medwedew zudem untrennbar mit Putin verbunden. Nicht nur die Ämterrochade verbindet die beiden. Kreml-Kritiker Alexej Nawalny führte in seinen Videos auch häufig Medwedew an. Nawalny wirft Medwedew genau wie Putin vor, ein riesiges Vermögen schwarz durch seine Ämter angehäuft zu haben. In einem Video, das Nawalny 2017 veröffentlichte, sind luxuriöse Anwesen, Weinberge und zwei Jachten zu sehen. Bei einem Ende des Systems müsste somit auch Medwedew um seine Pfründe fürchten und könnte für Korruptionsvergehen vor einem Richter landen.

Kurzer Ausflug in die Idee von einem liberalen Russland

In seinen vier Jahren als Präsident näherte sich Medwedew nicht nur dem Westen an. Er sprach sich für eine unabhängige Medienlandschaft aus, bezeichnete das vom Export fossiler Energieträger abhängige russische Wirtschaftssystem als „Sackgasse“ und sagte, politische Freiheit könne „keinen Tag weiter aufgeschoben werden“.

Besonders bemerkenswert in dieser Zeit war Russlands Enthaltung bei einer Resolution des UN-Sicherheitsrats, die ein militärisches Eingreifen in Libyen ermöglichte – Anlass für die erste öffentliche Meinungsverschiedenheit Medwedews mit Putin.

Es sollte die einzige bleiben. Heute liefert Medwedew auf seinem Telegram-Kanal wie andere russische Politiker auch die radikale Begleitmusik für Putins Kriegskurs. So warnte er am 12. Mai, dass die Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine einen Stellvertreterkrieg auslösten, „mit dem Risiko, dass daraus ein vollumfänglicher Atomkrieg wird“.

Ende Mai erklärte der 56-Jährige, Moskau werde im Falle von ukrainischen Angriffen mit US-Waffen auf russisches Territorium mit Vergeltungsschlägen gegen „Entscheidungszentren“ im Westen reagieren. Eine äußerst erschütternde Aussage traf Medwedew in einem Interview mit dem Nachrichtensender Al-Dschasira: Die „Apokalyptischen Reiter“ seien schon unterwegs „und wir können jetzt nur noch auf Gott vertrauen“.