Berlin - Es hätte schon vor einer Dekade so weit sein sollen. Nun wird das Versprechen wohl zum Jahresende eingelöst – wenn nicht wieder etwas dazwischen kommt. Derzeit laufen die finalen Tests für fünf Satelliten des europäischen Navigationssystems Galileo, die Ende Dezember in den Orbit geschickt werden sollen.
Mit ihnen wird eine Flotte von 22 funktionsfähigen zur Verfügung stehen, die einen alten Anspruch einlösen: „Navigieren nur noch mit dem europäischen Satellitennavigationssystem Galileo wird in ein paar Monaten möglich sein“, verspricht das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen bei München.
26 der künstlichen Galileo-Himmelskörper kreisen um die Erde
Wer das Programm verfolgt hat, mochte daran zeitweise nicht mehr glauben. Zwar kreisen schon 26 der künstlichen Galileo-Himmelskörper um die Erde. Aber einen hat ein Kurzschluss ausgeschaltet, zwei weitere wurden in einer falschen Umlaufbahn ausgesetzt, und der vierte ist in einen Reservemodus versetzt worden. Auch das ist Galileo: eine schier unendliche Geschichte von Pannen, Verzögerungen und immensen Kostensteigerungen.
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Angefangen hatte alles Mitte der Neunzigerjahre als wirtschaftspolitische Idee, die von einem Industriekonsortium in die Realität hätte umgesetzt werden sollen. Aber die Gruppe warf 2007 hin, weil die Risiken unkalkulierbar wurden. Einspringen musste dann die EU, die Galileo seitdem in die Tat umsetzt. Aus ursprünglich geplanten drei Milliarden Euro Aufbaukosten sind schon in der Anfangsphase fünf Milliarden Euro geworden. Für die Jahre 2014 bis 2020 hat die EU in ihrem Haushaltsplan weitere sieben Milliarden Euro für Galileo reserviert und wird auch für die daran anschließende Phase bis 2028 weitere, in der Dimension noch nicht feststehende Mittel bereitstellen, wie DLR und EU-Kommission bereits klargestellt haben.
Der erste Galileo-Satellit wurde 2011 in eine Umlaufbahn geschossen. Bei zwölf Jahren Lebensdauer muss 2023 schon wieder begonnen werden, die erste Generation der Hightech-Geräte auszutauschen. Dazu kommt der sukzessive Aufbau operativer Dienste, der dann auch Geld in die Kassen bringen soll.
Hoffnungen ruhen auf Hochpräzisionsdienst HAS
Bist heute ist Galileo nicht im Alleingang einsetzbar, aber seine Satelliten können mit denen des US-Systems GPS, dem russischen Glonass und dem chinesischen Beidou zusammengeschaltet werden. Deshalb gibt es bereits zum Nulltarif einen Galileo-Massenmarktdienst (OS) für Ortung, Navigation und Zeitgebung sowie einen geschützten und verschlüsselten Dienst mit dem Kürzel PRS für Polizei und Katastrophenschutz. Die dritte aktive Anwendung ist der Such- und Rettungsdienst SAR. Weitere Dienste kommen ab 2019 dazu, wenn das System endlich voll funktionsfähig ist.
Besondere Hoffnungen ruhen auf dem Hochpräzisionsdienst HAS mit einer Ortungsgenauigkeit von 20 Zentimetern. Das System ist damit exakter als die zivile Version von GPS und soll durch kommerzielle Anwendungen Geld in die Kasse bringen.
Kunden können Agrarkonzerne und Landwirte sein
Kunden können Agrarkonzerne und Landwirte sein, die damit Aussaat und Ernte überwachen. Auch künftige Roboterautos werden auf hochpräzise Ortung angewiesen sein. Dazu gibt es noch einen sicherheitskritischen Dienst mit dem Kürzel SoL, der für Luft- und Seeschifffahrt oder auch den Schienenverkehr gedacht ist. Allein die mit Hochdruck laufende Entwicklung autonom fahrender Autos zeigt, dass sich Galileo größere Verzögerungen nicht mehr hätte erlauben können, ohne irdische Industrien auszubremsen.
Das ehrgeizigen Projekt ist für die EU mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten noch wichtiger geworden. Denn das US-System GPS, über das Satellitennavigation im Westen bislang weitgehend läuft, ist im Gegensatz zu Galileo nicht unter ziviler Kontrolle. Das letzte Wort über dessen Nutzung hat damit der Präsident. „Das Verhältnis zwischen den Nato-Partnern ist immer von gewissen Schwankungen geprägt gewesen“, sagt die DLR vorsichtig.
Die EU betont den zivilen Charakter des Galileo-Systems. „Es wird die Abhängigkeit der europäischen Wirtschaft von militärischen Systemen Dritter verringern“, erklärt die EU-Kommission und verweist auf Impulse für die Gesamtwirtschaft. Schon heute sei die Wirtschaft in der EU zu einem Zehntel von Satellitensignalen aller Art abhängig, Tendenz steigend.
Eine Studie schätzt allein den Umsatz mit Satellitenempfängern auf weltweit aktuell 50 Milliarden Euro, dazugehörige Datendienste sollen weitere 70 Milliarden Euro ausmachen. Für 2020 soll das addierte Volumen für beides auf über 180 Milliarden Euro wachsen. Von diesem Kuchen soll Galileo sich ein großes Stück abschneiden.