Schröder und das Bekenntnis zur Demokratie: Die Krux mit der Extremismus-Klausel
Der Weg vom Gedanken zur Tat ist mitunter weit. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder hat das in den vergangenen drei Jahren ihrer Amtszeit erleben müssen. Ob Familienpflegezeit, Flexiquote oder Betreuungsgeld, keine ihrer Gesetzesinitiativen hat die CDU-Politikerin am Ende so durchsetzen können, wie sie ursprünglich gedacht waren. Eine Ausnahme allerdings gibt es: die sogenannte Extremismus-Klausel. Seit dem 1. Januar 2011 macht das verantwortliche Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zur Voraussetzung für die Vergabe von Fördergeldern auch für Vereine und Initiativen, die sich gegen rechte Gewalt engagieren.
Kristina Schröder ist dieses Bekenntnis ein Anliegen. Es war und ist ihr so wichtig, dass sie es gegen alle Bedenken und Kritik durchsetzte und auch nach dem nun sichtbar gewordenen Ausmaß rechten Terrors an ihm festhalten will. „Nach solchen schrecklichen Vorfällen ist es umso wichtiger, dass wir uns gemeinschaftliche zu unserer Demokratie und unserer Rechtsordnung bekennen“, erklärte Schröder dem Kölner Stadtanzeiger am vergangenen Montag. Allein, Schröders leidenschaftliches Bekennen überzeugt die Gegner der Extremismus-Klausel nicht.
Vereine beklagen Behinderung ihrer Arbeit
Die betroffenen Vereine und Initiativen beklagen eine Behinderung ihrer Arbeit, nicht weil sie bekennen sollen, was ohnehin Voraussetzung ihres Tuns ist, sondern weil ihnen überdies auferlegt wird, sämtliche ihrer Kooperationspartner auf „extremistische Strukturen“ hin zu überprüfen. Als Grundlage einer solchen Überprüfung empfiehlt das Bundesministerium die Lektüre des jährlich erscheinenden Verfassungsschutzberichts und einschlägige Nachfragen bei Behörden.
Anne Nitschke vom Alternativen Kultur- und Bildungszentrum Pirna (AKuBiZ) hält ein solches Vorgehen für wenig förderlich. „Das Ausspähen unserer Partner kommt für uns nicht in Frage“, erklärt sie. Eine Zusammenarbeit, die auf Vertrauen basiert wird durch gegenseitige Bespitzelung nicht eben optimiert, sagt sie. Was von Berichten eines Verfassungsschutzes zu halten ist, dem es über Jahre nicht gelang eine rechte Terrorzelle auszuschalten, die mordend und marodierend durchs Land zog, steht wohl ebenfalls in Frage.
Nitschkes Verein AKuBiZ hatte im November vergangenen Jahres den ihm zuerkannten Sächsischen Förderpreis für Demokratie abgelehnt, weil die sächsische Landesregierung vor der Preisverleihung an seinen Demokratie-Preisträger noch ein schriftliches Bekenntnis zur Demokratie verlangt hatte. Am Dienstag dieser Woche hat AKuBiZ nun Klage gegen die Extremismus-Klausel beim Verwaltungsgericht eingereicht. „Unsere Klage richtet sich formal gegen den Landkreis, der für die Verteilung der Gelder aus den Landesaktionsplänen zuständig ist“, erklärt sie. Auf diese Gelder muss der Verein verzichten, weil er sich geweigert hatte, die Klausel zu unterzeichnen. „Wir hätten uns gewünscht“, sagt Nitschke, „das Bundesministerium hätte die Klausel von sich aus zurückgenommen, zumal inzwischen mehrere Gutachten sie als verfassungsrechtlich bedenklich einschätzen.“
Tatsächlich existieren allein drei Gutachten, darunter eines vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestages, die der Extremismus-Klausel rechtliche Unschärfe nachweisen. Sie sehen sowohl das Gebot der Verhältnismäßigkeit verletzt, als auch Recht auf Meinungsfreiheit berührt. Das Bundesfamilienministerium hält dennoch an der Klausel fest: Die Demokratieerklärung brauche die Rückendeckung aller Demokraten, erklärte Schröder, „weil sie ein Zeichen dafür setzt, dass Extremisten egal welcher Richtung in unserem Land keinen Platz haben.“ Toleranz gegenüber Intoleranz sei im übrigen Dummheit, so die Ministerin.