Berlin-Wie rassistisch arbeitet die Polizei in Deutschland? Eine Studie des Bundesinnenministeriums wollte hier Klarheit schaffen. Konkret sollte das verbotene Racial Profiling im Fokus stehen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) entschied nun am vergangenen Sonntag, die Studie sei unnötig, Racial Profiling im Polizeialltag kein Problem. SPD und Opposition reagierten empört. Auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) zeigte sich irritiert. Im Interview mit dem ARD-Morgenmagazin kündigte sie an, das Gespräch mit ihrem Ministerkollegen suchen zu wollen, um die Studie doch noch zu ermöglichen. Allerdings liegt die Umsetzung in der Hand des Innenministeriums.
Racial Profiling ist verboten
Zunächst hatte ZeitOnline über den angekündigten Studien-Stopp berichtet. Ein Sprecher des Innenministeriums habe mitgeteilt, dass Personenkontrollen grundsätzlich diskriminierungsfrei erfolgen müssten. Beim verbotenen Racial Profiling ist das nicht der Fall. Der Begriff meint anlasslose Polizeikontrollen von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder anderer äußerlicher Merkmale. „Weder die Polizeigesetze des Bundes noch die einschlägigen Vorschriften und Erlasse erlauben eine solche Ungleichbehandlung von Personen“, so der Sprecher.
Darüber hinaus verweist Seehofers Ministerium an die bereits vorhandenen Beschwerdestellen für Betroffene, die sich von Polizisten rassistisch diskriminiert fühlen. Genannt werden die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sowie die zwölf Bundespolizeidirektionen. Bundespolizisten könnten Verdachtsfälle anonym über eine dem Bundespolizeipräsidenten unterstellte Vertrauensstelle melden.
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Einzelfälle rechtfertigen laut CDU/CSU keine Rassismus-Studie
Mathias Middelberg, innenpolitischer Sprecher der CDU im Bundestag, bestätigt Seehofers Einschätzung. So seien seit 2012 lediglich 25 Verdachtsfälle aus dem Rassismus-Bereich bekannt. In zwei Fällen seien Beamte entlassen worden. Acht Fälle wurden mit Geldbußen, einem Verweis oder einer Gehaltskürzung geahndet. 14 Verfahren seien noch nicht abgeschlossen. „Es gibt keinen Anlass für eine Studie zu Racial Profiling. Die Zahlen zeigen: Es gibt keinen strukturellen Rassismus in der deutschen Polizei“, urteilt Middelberg dementsprechend gegenüber der Berliner Zeitung.
Schwarze Menschen berichten jedoch immer wieder von Erfahrungen mit Diskriminierung. So schreibt beispielsweise der Tagesspiegel am 16. Juni über den US-Journalisten und Rechtsanwalt Joseph Hutchinson. Dieser wurde Ende Mai im Berliner Jahn-Sportpark im Prenzlauer Berg kontrolliert, weil er „verdächtig“ aussah. Alltag für Schwarze in Berlin und ein klarer Fall von Racial Profiling, meint Hutchinson im Interview.
Seehofer hat Angst, der Polizei in den Rücken zu fallen.
Middelberg relativiert Fälle wie diesen. Er stellt klar, dass nicht jede Kontrolle von Angehörigen einer bestimmten Gruppe per se diskriminierend sei. „Die Polizei handelt in aller Regel aufgrund sachlich begründeter Kriterien, die in der konkreten Situation die konkrete Kontrolle zur Folge haben.“ Widerspruch kommt seitens der SPD. Lars Castellucci (SPD), Mitglied des Innenausschusses des Bundestags, mutmaßt in der Antwort auf unsere Anfrage, der Innenminister fürchte, „mit so einer Studie der Polizei in den Rücken zu fallen. Das Gegenteil ist der Fall: Eine solche Studie wäre eine Chance, auf der Basis von Fakten und nicht auf der Basis von Unterstellungen zu diskutieren.“
Der Kritik an Seehofers Entscheidung schließen sich auch Linke und Grüne an. „Statt die öffentliche Kritik und die Diskriminierungserfahrungen der Betroffenen für Veränderungen zu nutzen und so verlorenes Vertrauen wiederherzustellen, zeigt Seehofer den Menschen die kalte Schulter“, sagt uns Martina Renner, innenpolitische Sprecherin der Linken. Allein öffentlicher Druck könne dafür sorgen, „dass auch Behörden wie die Polizei sich einer ehrlichen und transparenten Debatte nicht länger verweigern.“ Irene Mihalic, innenpolitische Sprecherin der Grünen, hält es für „unerklärlich, wie der Bundesinnenminister zu diesem Zeitpunkt, an dem eine breite Debatte über Rassismus bei der Polizei geführt wird, eine solche Studie ablehnen kann“. In Seehofers Ablehnung sehe sie die Scheu vor einer faktenbasierten Debatte im Umgang mit Rassismus in Polizeibehörden.
Christine Lambrecht setzt sich weiter für Racial-Profiling-Studie ein
Auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hält eine entsprechende Studie für wichtig. Im ARD-Morgenmagazin am Montag kündigte die Ministerin an, das Gespräch mit Horst Seehofer zu suchen, um zu klären, ob eine solche Studie nicht auch im Interesse der Polizisten wäre, „die fest auf dem Boden unserer Grundordnung stehen“. Es gehe dabei nicht darum, jemanden unter Generalverdacht zu stellen. „Sondern es geht darum, einfach Sachstand zu ermitteln und zu wissen, wo wir stehen und wie wir auch gegensteuern können.“