Seenot-Rettung für Flüchtlinge: EU will Mittel für Triton und Poseidon verdoppeln

Berlin - Die Flüchtlingstragödie vor der Küste Libyens ist nach Einschätzung der Vereinten Nationen noch schlimmer als bisher angenommen. Die Außenminister- und Innenminister der EU reagierten am Montag mit ersten Beschlüssen.

Nach Gesprächen mit Überlebenden des Unglücks vom Wochenende gehe sie von etwa 800 Todesopfern aus, sagte eine Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR am Dienstag im sizilianischen Catania. Unter den Opfern seien „Kinder von zehn, zwölf Jahren“. Bei den Passagieren habe es sich um „Syrer, rund 150 Eritreer, Somalier“ gehandelt. Die Überlebenden stammten aus Mali, Gambia, Senegal, Somalia, Eritrea und Bangladesch.

Das Schiff war demnach am Samstagmorgen von der libyschen Hauptstadt Tripolis gestartet. Laut italienischer Küstenwache wurden bislang 24 Todesopfer geborgen. 27 Überlebende trafen in der Nacht zum Dienstag in Catania ein. Zwei von ihnen wurden nach Polizeiangaben umgehend festgenommen. Es handele sich um den mutmaßlichen tunesischen Kapitän und einen Syrer, der ebenfalls der Besatzung angehört habe

Sondergipfel am Donnerstag

Die Europäische Union reagiert unterdessen mit einem Sondergipfel auf das Flüchtlingsdrama. „Die Lage ist dramatisch“, sagte EU-Kommissionchef Donald Tusk am Montag, „so kann es nicht bleiben“. Deshalb habe er für Donnerstag dieser Woche den Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU einberufen, kündigte er an. Er erwarte keine schnellen und einfachen Lösungen, sagte Tusk. „Würde es sie geben, wir hätten sie längst genutzt.“ Die Situation im Mittelmeer betreffe nicht nur die südlichen Mitgliedsländer der EU, sagte Tusk, sie betreffe die gesamte Europäische Union. „Wir müssen jetzt handeln.“

Verdopplung der Mittel für Triton und Poseidon

Der Gipfel soll auf den Diskussion des gemeinsamen Treffens der EU-Außen- und Innenminister am Montag aufbauen. Die Minister einigten sich in Luxemburg auf einen 10-Punkte-Plan, der unter anderem eine Verdopplung der Mittel für die EU-Programme Triton und Poseidon vorsieht. Damit würde die Seenotrettung nach den Flüchtlingskatastrophen der vergangenen Tage durch den Einsatz von mehr Schiffen deutlich ausgeweitet. Auch das Einsatzgebiet der Schiffe soll größer werden.

Damit folgten die Minister einer Forderung, die u.a. der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn erhoben hatte. Er hatte vor Beginn der Beratungen eine Aufstockung der bestehenden Programme auf das Level des früheren italienischen Seenotrettungsprogramms Mare Nostrum verlangt.

De Maizière warnt vor Anreiz für Schlepper

Auch die deutsche Regierung folgte diesen Vorschlägen. Innenminister Thomas de Maizière warnte allerdings davor, die Seenotrettung ohne ergänzende Maßnahmen auszuweiten. „Je mehr Boote man für die Seenotrettung zur Verfügung stellt – ohne ergänzende Maßnahmen – desto mehr werden Schlepper angeregt, dann ihr Geschäft fortzusetzen“, sagte de Maizière.

Die Fachminister beschlossen deshalb am Montag zudem eine gezielte Beschlagnahme und Zerstörung von Schlepperschiffen nach dem Vorbild der militärischen EU-Mission Atalanta vor Somalia. Die Mission, an der sich Deutschland, Frankreich, die Niederlande und Spanien beteiligt, begleitet zivile Schiffe durch den Golf von Aden und bekämpft die Piraterie am Horn von Afrika, vor der Küste Somalias.

Flüchtlinge über EU verteilen

Zudem will die EU-Kommission in einem Pilotprojekt zunächst 5000, später 10.000 Flüchtlinge über die EU verteilen. Die Bundesregierung wird sich auch an diesem Projekt beteiligen. De Maizière erklärte, Deutschland habe Italien und Griechenland Hilfe bei der Erstaufnahme von Flüchtlingen angeboten.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier forderte außerdem die Hilfen der EU für die Stabilisierung der Herkunfts- und Transitländer von Flüchtlingen in Nordafrika und dem Nahen Osten zu intensivieren. Der Blick müsse sich auf die Krisenherde vor Ort richten, sagte Steinmeier. Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte an, die Flüchtlingspolitik auch zu Thema des bevorstehenden G7-Gipfels zu machen, zudem Deutschland Anfang Juni einladen wird. (mit afp)