Sehnsucht nach Intelligenz
Die Äußerungen des US-Präsidenten werden immer bizarrer und gefährlicher. Dagegen abzustumpfen und sie nur noch durchzuwinken, wäre aber falsch.

Berlin-Ja, man hat sich daran gewöhnt, dass das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten von einer Person bekleidet wird, von der man seine Kinder schnell fortziehen würde, wenn sie einem bei den Einkaufswagen auf dem Supermarkt-Parkplatz auflauern und dort vollraunen würde. Aber dieser Selbstschutz ist fatal. Also: Schleuse auf und noch mal draufgeschaut.
Facebook und Twitter haben ein Video gelöscht, in dem Trump behauptet, Kinder seien gegen das Coronavirus „fast immun“. Akkurat diese Position wird von der Gruppe „America’s Frontline Doctors“ vertreten, die am 27. Juli in Washington eine Pressekonferenz gegeben hat, bei der mehrere Personen in weißen Kitteln mit geradezu biblischer Wucht versicherten, dass Covid-19 ihrer eigenen, tagtäglichen Erfahrung nach durch das (in dieser Anwendung in Wahrheit sehr umstrittene) Mittel Hydroxychloroquin problemlos und vollständig geheilt werden könne. Und, genau, es gebe keinen dokumentierten Fall, dass ein Kind einen Erwachsenen angesteckt hätte. Kinder seien gegen Corona geradezu immun.
Auf öffentlichen Plattformen wurde dieses Video weiträumig zensiert. Allen, die es wie ich auf privatem Weg zugeschickt bekommen haben, empfehle ich einen Blog-Eintrag auf Gizmodo.com vom Tag danach, der die Profile der mit Trump teilweise offenbar eng vertrauten Redner untersucht hat und ein Bild ihrer Weltanschauungen und Tätigkeiten skizziert, das selbst nicht bizarrer sein könnte. Außerirdische DNA spielt auch eine Rolle.
Vielleicht sollte man bei Fantasy-Autoren nachfragen, wie Opposition gegen Trump auszusehen hat. Aber die sind von der Vorstellung realer Personen in Regierungsverantwortung ja schon längst abgerückt: In Neal Shustermans „Scythe“-Trilogie wird die zukünftige US-Weltgesellschaft von einer Künstlichen Intelligenz regiert. Allein das Wort „Intelligenz“ tut in diesem Zusammenhang schon gut.