Sigmar Gabriel übergibt an Martin Schulz. Was bleibt aus seiner Zeit als SPD-Vorsitzender?

Berlin - Er habe es seiner Partei nicht immer leicht gemacht, hat der scheidende Parteichef Sigmar Gabriel in den vergangenen Wochen mehr als einmal zugegeben. „Die Partei mir auch nicht – aber dazu ist sie auch nicht fähig, es ihrem Vorsitzenden leicht zu machen“, hat er bei seiner Kür zum Bundestagskandidaten in seinem Wahlkreis Wolfenbüttel hinzugefügt. Um dann ausdrücklich die Kultur des engagierten Streits in der SPD loben.

So sagt Gabriel es jetzt. Und doch dürfte er diese Streitkultur in den vergangenen siebeneinhalb Jahren häufig verflucht haben. Siebeneinhalb Jahre: das ist die längste Zeit, die jemand seit Willy Brandt Vorsitzender dieser Partei war. Es gibt in der SPD Menschen, die sagen, ein Jahr in diesem Job sei so aufreibend, das es dreifach zähle.

Gabriel hatte es nicht immer leicht, seine Partei auf den von ihm anvisierten Kurs zu bringen – etwa, als es um die Zustimmung zum europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen Ceta ging. Andererseits hatte die Partei es bei ihrem zu spontanen und kurzfristigen Wendungen neigenden Vorsitzenden oft nicht leicht zu erkennen, worin dieser Kurs eigentlich bestehen sollte.

Gabriel hat SPD nach Niederlage 2009 wieder aufgerichtet

Das galt nicht zuletzt in der Flüchtlingskrise, in der er sich erst eindeutig an der Seite der Kanzlerin positionierte – um bald darauf mehr als einmal den Eindruck zu erwecken, er wolle sie vielleicht doch gern rechts überholen.

Auf Gabriels Haben-Seite steht: Er hat die Partei nach der vernichtenden Niederlage bei der Bundestagswahl 2009 wieder aufgerichtet. Als er sie vier Jahre später in eine große Koalition führte, handelte er einen Koalitionsvertrag mit einer sozialdemokratischen Handschrift aus.

Darin enthalten waren die SPD-Forderungen nach einem gesetzlichen Mindestlohn und einer Rente mit 63 für langjährig Versicherte. Mit Chuzpe und dem Gespür für das richtige Timing gelang es ihm in dieser Koalition mit der Union später sogar, mit Frank-Walter Steinmeier einen Sozialdemokraten als Bundespräsidenten durchzusetzen.

2015 ist Gabriel mit nur 74 Prozent wiedergewählt worden

Als Parteivorsitzender lässt Gabriel sich vielleicht gut mit einem Pokerspieler vergleichen, der – als hohe Einsätze auf dem Spiel standen – seine Karten mehrfach geschickt ausgespielt hat. Danach aber verzockte er das, was er daraus persönlich an Kapital hätte aufbauen können, immer wieder leichtfertig – nicht zuletzt, weil er sich in der Partei und in der Öffentlichkeit als sprunghaft und unzuverlässig präsentierte. Genau deshalb wollten sich auch viele in der SPD einen Kanzler Sigmar Gabriel lieber nicht vorstellen.

Wie zerschlissen das Verhältnis zwischen Gabriel und seiner Partei war, ließ sich Ende 2015 beobachten, als er mit nur noch 74 Prozent zum Vorsitzenden wiedergewählt wurde. Gabriel hatte zuvor am Rednerpult die Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann zusammengefaltet, die erklärt hatte, sie könne jene verstehen, die sagten: „Ich kann der SPD nicht glauben, dass sie wirklich tut, was sie sagt.“

Gabriels harsche Reaktion kam schlecht an. Bemerkenswert war auch, dass Gabriel den Eindruck hatte, selbst ans Rednerpult treten zu müssen – obwohl in einer solchen Situation eigentlich eher ein Gefolgsmann in die Bresche springen müsste. Doch der menschlich schwierige Gabriel hat im Laufe der Jahre auch viele seiner Unterstützer nach und nach enttäuscht.

Auch deshalb dürfte es ein guter Zeitpunkt für Gabriel sein, jetzt als Parteichef abzutreten. Überhaupt meinen derzeit viele, dass sich das noch als sein größter Erfolg herausstellen könnte: den richtigen Nachfolger ausgesucht zu haben.