Silvester in München: Das bleibt vom Münchner Terroralarm

Berlin - Die Gewerkschaft der Polizei bittet um mildernde Umstände. „Das ist eine kluge Entscheidung gewesen“, sagte deren Vizechef Jörg Radek unserer Zeitung mit Blick auf die Terrorwarnung von München. „Wir können den polizeilichen Erfolg nicht immer daran messen, ob es anschließend Festnahmen gegeben hat. Damit würden wir der Lage nicht gerecht werden.“

In der bayerischen Landeshauptstadt habe es am Silvesterabend gegolten, Schlimmeres zu verhindern, fügte Radek hinzu. Und das sei professionell geschehen. Einerseits seien rasch die notwendigen Kräfte zusammen gezogen worden. Andererseits habe die Polizei eine Großveranstaltung auf der Theresienwiese unbehelligt gelassen. Damit habe sie „nicht hysterisch, sondern besonnen agiert“.

Wer ist zuständig?

„Mit Blick auf München haben wir keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für unsere Zuständigkeit“, betonte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft derweil. „Die ist dann gegeben, wenn es tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat von besonderer Bedeutung gibt oder eine terroristische Vereinigung im Hintergrund steht. An diesen Anhaltspunkten fehlte es uns.“ Dies war bei zurück liegenden Terrorwarnungen ähnlich.

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Kritik in Dresden

Mitte Januar 2015 war in Dresden ein Marsch der Pegida-Bewegung verboten worden – kurz nach der ersten Anschlagsserie in Frankreich mit 17 Toten. Damals gab es in Berliner Sicherheitskreisen Getuschel, wonach es die sächsischen Sicherheitsbehörden übertrieben hätten. Sie hätten mit Terrorwarnungen ja keine Erfahrung, hieß es.

Mitte Februar folgte die Absage des Karnevalsumzuges „Schoduvel“ in Braunschweig. Das Ziel war angeblich, eine große Menschenmenge zu treffen. Bei rund 250 000 Besuchern ist das letztlich eine ebenso nichtssagende wie naheliegende Zielbeschreibung. Verschärfend wirkte, dass die islamistische Szene in Niedersachsen mit damals 3380 Mitgliedern stark ist.

Fehler in der Kommunikation

Auf Bremen folgte Anfang März Terroralarm in Bremen. Anschließend wurde offenbar, dass sowohl in Braunschweig als auch in Bremen erhebliche Kommunikationsprobleme herrschten, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen war, dass die Ereignisse an Wochenenden stattfanden. Zumindest seinerzeit gab es an Samstagen und Sonntagen keine standardisierte Kommunikation.

An Werktagen hingegen treffen sich die 40 versammelten Sicherheitsbehörden im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum (GTAZ) in Berlin-Treptow zu regelmäßigen Lagebesprechungen; die Dienstwege sind kurz. Ob eine Veranstaltung abgesagt wird, entscheiden letztlich die regionalen Polizeidienststellen.

Länderspiel wurde abgesagt

Vorletzter Fall war die Absage des Länderspiels Deutschland gegen die Niederlande am 17. November in Hannover. Sie fand kurz nach der zweiten Anschlagsserie in Paris mit diesmal 130 Toten statt. Auch in der niedersächsischen Landeshauptstadt war von Attentaten im Mumbay-Style die Rede, also gleichzeitig oder kurz hintereinander an verschiedenen Orten.

Knapp vier Wochen darauf wurde in der Nähe ein 19-Jähriger festgenommen, der am Abend des Spiels als Ordner im Stadion gewesen sein soll, obwohl er nicht im Dienstplan stand. Er trug sich zudem angeblich mit dem Plan, nach Syrien zu reisen. Schließlich tauchte ein kurzes Video auf, das der Teenager an jenem Abend mit seinem Handy gemacht hatte und das die Losung enthielt: „Bete für Rakka“. Rakka ist die in Syrien gelegene Hauptstadt des so genannten Islamischen Staates. Die Bundesanwaltschaft ermittelt im Fall Hannover noch – bisher ohne bekanntes Resultat.

Gerüchte nach den Anschlägsplänen in München

Jetzt kursierten in München Berichte über Anschlagspläne zum Jahreswechsel von sieben arabischen Männern mit „Allerweltsnamen“. Die Hinweise kamen aus verschiedenen Quellen. Nur: Ob es die Männer gibt und die Pläne real waren, bleibt ungewiss. Derzeit sieht es eher nicht danach aus.

Deshalb wird geargwöhnt, Terroralarme würden womöglich auch ausgelöst, um Stimmung gegen Ausländer zu machen oder schärfere Sicherheitsgesetze durchzudrücken. SPD-Innenexperte Burkhard Lischka wirbt hingegen um Verständnis. „Jede Woche gehen fünf bis 15 Terrorhinweise ein“, erklärte er dieser Zeitung. „Wenn man die Terrorwarnungen dagegen hält, sieht man, dass nur ein kleiner Teil zu Reaktionen wie in München führt.“

Gewerkschaftsfunktionär Radek pflichtet bei: „Die Sicherheitsbehörden müssen unter einem unglaublichen Zeitdruck die Glaubwürdigkeit der Quelle prüfen und die Maßnahmen darauf abstellen.“ Dabei werde häufiger eine Warnung ausgesprochen, die sich im Nachhinein als nicht so substanziell erweise. Im Lichte der in Frankreich erlebten Gewalt gehen im Zweifel alle auf Nummer sicher.