SPD-Jubel auf Befehl: „Fangt doch mal an zu rufen. Martin rufen!“
Seit Wochen ist der SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz im Land unterwegs, um sich den Genossen vorzustellen und sie auf den Wahlkampf einzuschwören. Im September geht es schließlich um etwas. Schulz will wirklich Kanzler werden, das hat er unmissverständlich erklärt.
Und das hat mit Sicherheit auch viele Genossen überrascht. Immerhin war noch vor einigen Monaten eher die Frage, welcher SPD-Spitzengenosse diesmal gegen Angela Merkel verlieren darf. Und nun das: Schulz-Begeisterung, wohin man blickt. Die Partei registriert steigende Mitgliederzahlen, sogar in Berlin. Umfragen zeigen die SPD manchmal sogar vor der Union. Innerhalb nur weniger Wochen hat Martin Schulz seiner Partei etwas gegeben, was sie lange nicht kannte: Hoffnung.
Bei diesem Tempo kann nicht jeder an der Basis gleichermaßen mithalten. Vielleicht ist es nun aber auch die Spitze, die enteilt. Ein Beispiel für die unterschiedlichen Geschwindigkeiten konnte man dieser Tage in Würzburg beobachten. Etwa 1 200 Anhänger waren gekommen, um Martin Schulz reden zu hören. Natürlich waren auch sie begeistert und applaudierten heftig. Dem Kandidaten aber war dies nicht überschwänglich genug. Und weil in diesen Tagen ja immer eine Kamera und ein Mikrofon dabei ist, wenn ein Politiker Wahlkampf macht, ließ sich ziemlich genau beobachten, was Martin Schulz von seinen Anhängern erwartet.
„Fangt doch mal an zu rufen“, forderte er die Genossen auf, die sich gerade warmgeklatscht hatten. Vielleicht lag es an der Akustik, vielleicht sind die Würzburger auch noch nicht so vertraut mit den neuen Gepflogenheiten in der SPD. Jedenfalls guckten sie verwirrt und klatschten weiter. Der Kandidat ließ nicht locker: „Ihr könnt mal rufen!“, ließ er die Genossen wissen, „Martin rufen!“ Jetzt hatten die Anhänger verstanden und begannen, zaghaft „Martin, Martin“ zu intonieren. Der Videoschnipsel, der von diesem Ereignis im Internet kursiert, ist nur eine Minute lang. Doch man kann gut erkennen, dass es den Genossen etwas peinlich ist, ihrem Spitzenkandidaten seinen Namen entgegenzurufen, Genossen-Du hin, Genossen-Du her.
In den sozialen Netzwerken kursiert der #Jubelbefehl nun mit hämischen Bemerkungen und der Frage, ob der Schulz-Hype eine reine Inszenierung sein könne. Der Bayerische Rundfunk, der den Ausschnitt in seiner Sendung „Kontrovers“ gezeigt hat, hat dazu eine andere These: Der Schulz-Hype sei einfach zu schnell übers Land gekommen, meint man dort. Und führt gleich einen weiteren Beweis dafür an. So hat man für das diesjährige Singspiel auf dem Nockherberg, bei dem alljährlich zum Starkbieranstich die Politiker „derbleckt“ werden, eine Rolle in letzter Sekunde aufnehmen müssen: Martin Schulz. Die Rolle des Sigmar Gabriel entfiel.