SPD-Wahlprogramm: Mehr Polizisten, mehr Geld für Bildung

Berlin - Plötzlich stehen sie alle draußen vor der Tür, die Mitarbeiter des Willy-Brandt-Hauses in Berlin. Oder, genau genommen, auf der anderen Straßenseite vor einem Theatergebäude. Einige haben sich schnell in nahe gelegenen Cafés mit Getränken in Pappbechern versorgt, andere unterhalten sich. Der Wahlkampfleiter von Kanzlerkandidat Martin Schulz, Markus Engels, lächelt und lobt das gute Wetter.

Warum aber haben alle das Haus verlassen? Um kurz nach zehn Uhr an diesem Montag ist die SPD-Zentrale evakuiert worden, weil ein verdächtiger Gegenstand in der Poststelle gefunden worden war. Es handelte sich um eine Holztruhe – und bei einer ersten Röntgenaufnahme meinten die Experten der Polizei Drähte zu erkennen. Eine Bombe? Aus Sicherheitsgründen musste geräumt werden, auch wenn sich das Ganze später als Fehlalarm herausstellt. Eineinhalb Stunden später können alle wieder an ihre Arbeitsplätze zurück.

Dabei war der Zeitplan gerade für den SPD-Parteivorstand, der sich mit dem Leitantrag für den Parteitag und damit auch mit dem Programm für die Bundestagswahl befasste, ohnehin eng. Würden Generalsekretärin Katarina Barley, Fraktionschef Thomas Oppermann und Familienministerin Manuela Schwesig heute wie ursprünglich angekündigt einen vom Vorstand beschlossenen Entwurf vorstellen? Die SPD hatte, so meldete es die Nachrichten-Agentur dpa, den Termin zunächst abgesagt. Später teilte die Partei dann mit, er finde doch statt. Bei der SPD sagte man zur Erklärung, der Termin habe zunächst nur vom Plan genommen werden sollen, weil der genaue Zeitpunkt am Tag noch unsicher gewesen sei.

Hatte die SPD in der Zwischenzeit gemerkt, dass die Absage eines solchen wichtigen Termins den Eindruck erweckt, der Parteivorstand komme mit dem eigenen Programmprozess nicht zurande? Oder war es nur eine Kommunikationspanne seitens des Willy-Brandt-Hauses? So oder so hat die Partei einmal mehr ein unprofessionelles Bild in der Öffentlichkeit abgegeben. Und das in einer Phase, in der sie nach den verheerenden Niederlagen in drei Landtagswahlen, vor allem in Nordrhein-Westfalen, punkten müsste.

Zahlreiche Änderungsanträge

SPD-Generalsekretärin Katarina Barley erklärte im Nachhinein, eine Verschiebung des Termins nach hinten (aber am selben Tag) sei angedacht gewesen, weil es aus dem Vorstand und aus Arbeitskreisen noch „eine hohe dreistellige Zahl von Änderungsanträgen“ zum Entwurf der Programmkommission gegeben habe. Dem Vernehmen nach soll es dabei vielfach um kleinere Anliegen gegangen sein, die den Fachleuten für das Thema wichtig waren – welche die Programmkommission aber aus Gründen der Lesbarkeit vernachlässigt habe.

Bemerkenswert ist die hohe Anzahl an Änderungsvorschlägen dennoch. Schließlich war der erste Entwurf der Programmkommission nicht mehr als 67 Seiten lang. Und die inhaltlich schwierigsten Punkte – nämlich hart durchgerechnete Konzepte für Renten und Steuern – sind noch ausgenommen. Hier solle in den kommenden Wochen nachgelegt werden, sagt Barley. Und zwar erst bei der Rente, dann bei den Steuern.

Gebührenfreie Bildung

Das Wahlprogramm enthält vieles, was für Sozialdemokraten zum selbstverständlichen Kanon gehört: von der gebührenfreien Bildung von der Kita bis zur Universität bis hin zu der Forderung, es müsse – zum Wohl der Bürger, aber auch der Wirtschaft im Land – kräftig in die Infrastruktur investieren.

Der Leitantrag ist – bildlich gesprochen – eine sozialdemokratische Suppe, in der aber die Fleischeinlage letztlich noch fehlt. Solange nicht klar ist, wie Wahlversprechen finanziert werden und wie ein durchgerechnetes Steuerkonzept aussieht, sind die Grundlagen nicht geklärt. Insofern erfüllt die SPD die öffentlich vielfach erhobene Forderung, die Partei müsse jetzt inhaltlich konkreter werden, nur bedingt. Andererseits lässt dies natürlich auch Raum dafür, zu einem späteren Zeitpunkt im Wahljahr mit neuen programmatischen Akzenten noch einmal Aufmerksamkeit zu erzielen.

Gerechtigkeit mit Akzenten

Klar ist: Es soll beim Oberthema Gerechtigkeit bleiben, aber die Partei möchte zusätzliche Akzente setzen. Barley nennt hier die Themen Europa und Zukunftsinvestitionen. Bei letzteren gehe es auch darum, den ländlichen Raum zu stärken und in großem Stil mit schnellem Internet zu versorgen.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagt, das, was die Programmkommission jetzt erarbeitet habe, sei „wahrscheinlich das beste Wahlprogramm seit Willy Brandt“. Es sei ein klares Kontrastprogramm zur Union. Die SPD entscheide sich von der Union damit so sehr, dass es diesen diesmal nicht gelingen werde, der SPD Teile ihres Programms zu klauen.