Stalking und Sexpuppen: Warum Promi-Trennungen schon immer faszinierten

Kaum ein anderes Lebensereignis geht mit so starken Gefühlen einher wie ein Beziehungs-Aus. Hass, Trauer, Wut: Für unbeteiligte Zuschauer bietet das eine höchst faszinierende Mischung. Vielleicht ist das der Grund, warum Trennungen von Prominenten so viel Beachtung finden.

2016 ist schon jetzt ein reiches Jahr für alle Trennungschronisten: Unangefochten auf Platz 1 im subjektiven Ranking steht das Ende von Brangelina – Brad Pitt und Gattin Angelina. Dicht dahinter das schlagzeilenreiche Eheende von Johnny Depp und Amber Heard.

Doch ungeachtet der Wallungen im World Wide Web sind Trennungen ein uraltes Gesellschaftsthema. Denn für das Publikum haben sie eine fast kathartische Wirkung. Häme und Sensationsgier wechseln sich ab mit der Angst vor eigenem Kummer und dem Mitgefühl für die Protagonisten. Im Idealfall führt das zur Erkenntnis: So schlimm ist es bei mir dann doch nicht!

Die Zahl der Mitleidenden oder jener, die sich angesprochen fühlen, ist immens: Weltweit würden täglich etwa eine halbe Million Menschen verlassen, hat die New Yorker Autorin Jennifer Wright ausgerechnet. Die Trennung erfolge durchschnittlich nach einem halben Jahr.

2000 Jahre Trennungsgeschichte

All diese Menschen sind die Zielgruppe von Jennifer Wright, die ein Buch geschrieben hat über „Trennungsstorys, die Geschichte machten“, Titel: „Kill your darling!“ Im Plauderton schildert sie darin die ungeheuerlichsten Abgründe, die das Ende einer Paarbeziehung begleiten können. Geistesgrößen der vergangenen 2000 Jahre lieferten ihr den Stoff.

„Evolutionsbiologen haben herausgefunden, dass das Gehirn eines frisch Verlassenen stark dem eines Kokainabhängigen auf Entzug ähnelt“, schreibt sie. Wir seien überraschend widerstandsfähig, was die meisten Schrecken dieser Erde angeht. „Aber wehe, wir werden verlassen. Dann brechen wir komplett zusammen.“

Ein gebrochenes Herz, so glaubt sie nach ihren Recherchen, könne selbst den herzlichsten Menschen in ein irrationales Monster verwandeln. „Wenn in meinem Freundeskreis jemand diese Phase durchmacht, halte ich ihm das Händchen und sage: Du bist nicht der schlechteste Mensch – Norman Mailer war viel schlimmer!“

Gekränktes Ego

In Norman Mailers Fall steht der Begriff „gebrochenes Herz“ allerdings für ein gekränktes Selbstbild. Der amerikanische Autor stach 1960 auf einer Party seine zweite Frau Adele Morales nieder, vorausgegangen waren unterschiedliche Ansichten über das Ausmaß seiner Genialität.

Adele überlebte und verzichtete aus Rücksicht auf die gemeinsame Tochter auf eine Anzeige. Nach dem Vorfall sah sich dann jedoch ausgerechnet Mailer als das Opfer an: Er beklagte, dass ihm der Angriff zehn Jahre lang nachgetragen wurde und ihn den Nobelpreis gekostet habe. Und Adele? Die Künstlerin verschwand von der Bildfläche, verarmte und trug einen lebenslangen Hass auf ihren Ex davon.

Die Frage der Rolleninszenierung – oder Rollenzuweisung – der Beteiligten ist immer wieder ein spannendes Phänomen in Trennungsprozessen, speziell bei Menschen, die im Rampenlicht stehen. Wer ist „Täter“, wer ist „Opfer“, wem wird vom Publikum welcher Part zugesprochen?

Bei Eleonore von Aquitanien herrschte in der Geschichtsschreibung lange Uneinigkeit über ihr Image. Wright stellt sie uns als Frau vor, die glorreich aus den Szenen ihrer Ehen hervorging, als Heldin, die mit dem Tod ihres Mannes, König Heinrich II., und der Krönung ihres Sohnes Richard im Jahr 1189 endlich ihr Lebensziel erreichte: Macht über England.

Sie schickte ihm ihre blutigen Schamhaare

Jedoch galt sie jahrhundertelang als Inbegriff der Intrigantin: Sie wurde des Mordversuchs an der Mätresse des Königs verdächtigt, des Putschversuchs gegen den Gatten überführt und fünfzehn Jahre unter Hausarrest gestellt. Mit der Annullierung ihrer ersten Ehe mit dem französischen König Ludwig VII. – nur acht Wochen danach heiratete sie Heinrich II. – war überdies ein mehr als 300 Jahre währender Konflikt zwischen England und Frankreich ausgelöst worden. Das sorgte für einen Spitzenplatz in der Liste der folgenschwersten Trennungen aller Zeiten.

Fatal für das Leben der Beteiligten können Verflossene sein, die ihren Status als „Ex“ nicht akzeptieren – wie Caroline Lamb, die Geliebte des britischen Dichters Lord Byron. Nach der Trennung verfolgte sie ihn jahrelang mit allen Mitteln des Stalkings, wie Wright erzählt: Sie schickte ihm ihre blutigen Schamhaare. Sie brachte rufschädigende Gerüchte über ihn in Umlauf. Sie versuchte, erst sich selbst, später ihn zu erstechen. Schließlich schrieb sie den unschmeichelhaften Schlüsselroman „Glenarvon“ (1816) über ihn.

„Tatsächlich befindet sich ein Mensch nach einer Trennung körperlich und seelisch in einem Extremzustand“, erklärt Silvia Fauck, Psychologische Beraterin und Gründerin der ersten Liebeskummerpraxis Deutschlands. „Dass man so tief fällt, hängt damit zusammen, dass der Kummer dem Betroffenen körpereigene Wohlfühlstoffe wie Serotonin entzieht.“

Kummer beeinträchtigt das Gehirn

Bei manchen Frauen können bestimmte Hirnareale nach einer Trennung kurzzeitig fast brachliegen, wie eine Gruppe von Wissenschaftlern aus Tübingen und Charleston in South Carolina nachwies. Betroffen sind unter anderem Regionen, die für Emotionen, Antrieb, Schlaf- und Essverhalten zuständig sind.

Die neue Situation wird als komplette Überforderung empfunden, Depressionen, Aggressionen, Panikattacken sind mögliche Folgen. Ein gebrochenes Herz kann sogar tödlich sein: Das Broken-Heart-Syndrom (oder Stress-Kardiomyopathie) ist eine medizinisch anerkannte, stressbedingte Erkrankung, die einem Herzinfarkt ähnelt.

Was rät nun der Profi dem Liebeskranken? „Manchem hilft eine konkrete Handlungsanleitung – die Sachen vom Ex entsorgen, seine Nummer löschen, neue Bettwäsche kaufen“, sagt Silvia Fauck. „Andere wollen einfach nur reden. Und das empfehle ich auch: nicht ewig Freunde und Familie zu behelligen, sondern sich einen professionellen Berater zu suchen, der die Sache neutral angeht.“

Museum of Broken Relationships

Einen Schlussstrich unter die Bindung zu ziehen, ist bei der Verarbeitung wichtig. Bei Caroline Lamb war es ein Buch, beim Maler Oskar Kokoschka ein etwas bizarreres Arrangement. Nach der Trennung von Alma Mahler ließ sich der Wiener Expressionist eine nach ihrem Ebenbild geschaffene Sexpuppe nähen, die er sogar zu Kutschfahrten und in die Oper mitnahm. Auf einer Party übergoss er die Puppe schließlich mit Rotwein und köpfte sie.

Die Lehre aus den Geschichten in ihrem Buch heißt normalerweise: „Sie werden Ihren Mitmenschen nicht durch Ihr verrücktes Verhalten nach Ihrer Trennung in Erinnerung bleiben“, sagt Wright. Im Falle Kokoschkas ist das richtig. Bei König Heinrich VIII. von England jedoch – er darf in keiner Sammlung von Trennungsgeschichten fehlen – bestätigt die Ausnahme die Regel. Dass er ein kraftvoller Herrscher, ein ausgezeichneter Botaniker und Tennisspieler war, beschäftigt uns viel weniger als sein Hang zum radikalen Beziehungs-Cut: Zwei seiner sechs Frauen ließ er enthaupten.

Wer nun meint, sein Liebesleid sei es wert, selbst in die Geschichte einzugehen, der findet im Museum of Broken Relationships eine interessante Option. Die preisgekrönte Sammlung hat in Zagreb einen festen Standort gefunden, seit 2016 gibt es auch in Los Angeles eine Dependance. Hier können Verlassene persönliche Erinnerungsstücke hinterlassen und damit den letzten, befreienden Akt in ihrem Beziehungsdrama vollziehen. Hunderte gespendete Exponate, vom Liebesbrief über den Spitzen-BH bis zur Axt, erzählen von besseren Tagen. Und von ihrem Ende.

Liebeskummer-Gegenmittel in Buchform:

Jennifer Wrights Buch „It Ended Badly“ ist gerade in deutscher Übersetzung erschienen: „Kill your Darling! 13 Trennungsstorys, die Geschichte machten“. Suhrkamp Taschenbuch, Berlin 2016. 351 S., 10 Euro.