Sterbehilfe-Debatte in Berlin: Der Bundestag zeigt Emotionen

Berlin - Es ist ein ungewöhnlicher Tag im Bundestag. Wie anders alles ist, das erkennt man schon daran, dass zwei der wichtigsten Kontrahenten in der ersten Reihe der Unions-Fraktion sitzen – fast direkt nebeneinander. Da ist der CDU-Abgeordnete Michael Brand, der einen Gesetzentwurf geschrieben hat, mit dem er organisierten Sterbehilfevereinen wie dem des früheren Hamburger Justizsenators die Grundlagen entziehen möchte. „Dass das Angebot auch bei Sterbehilfe die Nachfrage schafft, haben wir in den Niederlanden gesehen“, warnt er, nachdem er als erster Redner der Debatte nach vorn ans Pult getreten ist. Es gehe darum zu verhindern, dass sich solche Angebote ausbreiteten. Darum, dass Sterbehilfe nicht zu einer Normalität werde – bei der sich kranke Menschen rechtfertigen müssten, wenn sie diese nicht annähmen.

Brand spricht mit ruhiger Stimme, präsentiert sich zugewandt und gelassen – als ahnte er schon, dass sein Gesetzesentwurf später die Mehrheit bekommen sollte.

Hintze: „Leiden im Sterben ist sinnlos“

Auch Bundestagsvizepräsident Peter Hintze hat in der ersten Reihe der Unions-Fraktion Platz genommen. Der CDU-Politiker sitzt heute nicht im Präsidium, weil er nicht über die Einhaltung der Debattenspielregeln wachen möchte, sondern als ganz normaler Abgeordneter mitmischen will. Hintze spricht mit rauer Stimme, hörbar emotional aufgeladen. „Leiden im Sterben ist sinnlos“, sagt er, als er nur wenige Minuten nach Brand hinter dem Rednerpult steht.

Und er ergänzt, es gebe Situationen, in denen helfe die beste Palliativmedizin nicht mehr. Für diese Menschen möchte er die Möglichkeit offenhalten, sich beim Suizid helfen zu lassen. Hintze sagt: „Wir wollen, dass am Sterbebett nicht Staatsanwälte stehen, sondern Angehörige und Ärzte.“

Brand gegen Hintze, CDU-Politiker gegen CDU-Politiker – das ist nur eine der vielen Besonderheiten an diesem Tag. Da es sich bei der Sterbehilfe um ein höchst persönliches und ethisch umstrittenes Thema handelt, wird nicht entlang der üblichen Fraktionsgrenzen diskutiert. Vielmehr haben sich Abgeordnete unterschiedlicher Parteien in Gruppen zusammengefunden und Gesetzesentwürfe erarbeitet.

„Lieber gar kein Gesetz als ein schlechtes“

Da aber die Initiative von Brand und der SPD-Politikerin Kerstin Griese schon vor der Debatte sehr viele Unterstützer gesammelt hat, werben viele Gegner dieses Entwurfes vor allem dafür, an der bestehenden Rechtslage einfach gar nichts zu verändern. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sagt: „Lieber gar kein Gesetz als ein schlechtes.“

Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Bundestagsabgeordnete sprechen aus eigener Erfahrung und wollen das Thema weiter im Fokus behalten.