Abtreibung: Union will Streichung des Paragrafen 219a verhindern
Die Ampel will den umstrittenen Werbeparagrafen aufheben. Die Union sieht sich als „Stimme der Ungeborenen“ und will die Änderung in letzter Minute stoppen.

Berlin-Der umstrittene Paragraf 219a soll gestrichen werden, das hat die Ampelkoalition beschlossen. Am Freitag wird der Gesetzentwurf im Bundestag debattiert. Es ist unwahrscheinlich, dass er noch zu kippen ist. Die Unionsfraktion versucht es trotzdem.
Das wurde klar, als Abgeordnete von CDU und CSU am Mittwoch ihre Positionen zur Debatte um das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche vorstellten. Der Paragraf 219a verbietet bisher, für Abbrüche zu „werben“.
Unionsfraktion argumentiert mit „Schutz des ungeborenen Lebens“
Knapp erwähnte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz, wie wichtig es sei, Frauen im Konflikt mit einer Schwangerschaft den Zugang zu Informationen zu ermöglichen. Sogleich formulierte sie jedoch den aus ihrer Sicht rechtspolitischen Auftrag ihrer Fraktion, dem „ungeborenen Leben eine Stimme zu geben“.
Das Argument des „Lebensschutzes“ gründet auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1995 – und führt auf den ersten Blick weg von der Debatte um die Streichung des sogenannten Werbeparagrafen 219a. Der stellt unter Strafe, wenn Ärztinnen und Ärzte auf ihren Internetseiten informieren, unter welchen Bedingungen oder mit welchen Methoden sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten.
Seit einer Reform im Jahr 2019 dürfen Praxen zwar auf ihren Webseiten angeben, dass sie Abbrüche als medizinische Leistung vornehmen. Jedes weitere Wort kann jedoch als Werbung ausgelegt werden. Gynäkologinnen wie die Berlinerin Bettina Gaber oder die Gießenerin Kristina Hänel wurden schon wegen Verstößen gegen den Paragrafen verurteilt.
Die Bundesregierung will den Paragrafen nun aufheben. Er behindere „den Zugang zu fachgerechter medizinischer Versorgung sowie die freie Arztwahl und beeinträchtigt das Recht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung“, heißt es im Gesetzentwurf.
Vergleich von Abtreibung und Schönheits-OP
Das Werbeverbot soll laut Bundesregierung zukünftig im Heilmittelwerbegesetz – nicht wie bisher im Strafgesetzbuch – geregelt werden. Das reicht der Unionsfraktion allerdings nicht.
Rechtspolitikerin Lindholz begründete dies in einem bemerkenswerten und altbekannten Vergleich: Schwangerschaftsabbrüche seien etwas anderes als Schönheitsoperationen. Sie gehörten ins Strafgesetzbuch. Ein Abbruch sei keine „kosmetische Behandlung“.
Der Antrag der Unionsfraktion heißt „Interessen der Frauen stärken, Schutz des ungeborenen Kindes beibehalten“ und fordert den Erhalt des Paragrafen 219a. „Im Einzelnen“ könnten zwar „Informationsdefizite“ über Praxen, die Abtreibungen anbieten, bestehen. Deshalb will sich die Fraktion darauf einlassen, die Gesetzgebung „in moderater Weise zu erweitern“: die Methoden des Abbruchs sollen künftig erwähnt werden dürfen.
Informationen etwa zur „angenehmen Atmosphäre“ in einer Praxis könnten aber bereits den Eingriff bagatellisieren, so steht es im Antrag.
Was wird aus den Verurteilungen nach Streichung von §219a?
Der Gesetzentwurf der Ampelkoalition sieht auch vor, die in der Vergangenheit verhängten Urteile aufzuheben. „Verurteilte Ärztinnen und Ärzte sollen von dem ihnen anhaftenden Strafmakel befreit werden, der sie mit Blick auf ihr Berufsethos besonders belastet“, schreibt das Bundesjustizministerium auf seiner Internetseite.
Laut Unions-Rechtspolitiker Günter Krings wäre das eine „ziemliche Klatsche“ für die an den Verfahren beteiligten Richter. Dass auch der Antrag seiner Fraktion die Information über Abbruchsmethoden nicht mehr unter Strafe stellen will, stehe dazu nicht im Widerspruch, sagte Krings.
Der Antrag der Union wirkt wie ein Versuch, den Status quo zu festigen. Auf die Unterstützung von Regierungsmitgliedern scheint die Opposition dabei allerdings nicht zu bauen. Dorothee Bär (CSU) sagte, sie halte die Streichung des Paragrafen 219a vor allem für ein „Prestigeprojekt“, mit dem sich die Regierung als „modern“ behaupten wolle.
Die AfD hat sich bereits für ein Beibehalten des Paragrafen ausgesprochen. Die Linke-Fraktion will am Freitag einen eigenen Antrag einbringen. Die frauenpolitische Sprecherin Heidi Reichinnek sagte der Berliner Zeitung, ihre Fraktion unterstütze die Streichung, ihr sei der Entwurf der Regierung aber nicht umfassend genug. „Wir müssen endlich auch Paragraf 218 in den Fokus nehmen und Schwangerschaftsabbrüche, die auf Wunsch der Schwangeren erfolgen, aus dem Strafgesetzbuch streichen. Diesen wichtigen Schritt zur Entkriminalisierung verschleppt die Ampel aktuell.“
Angesichts solcher Forderungen wird klar, warum die Unionsfraktion den „Schutz des Ungeborenen“ in der Debatte um das Werbeverbot für Ärztinnen und Ärzte anführt. Man habe die Befürchtung, dass das „Gesamtgefüge infrage gestellt werden soll“, sagte Andrea Lindholz am Mittwoch. Denkbar ist in der Tat, dass als nächstes der §218 gekippt wird. Der Paragraf stellt Schwangerschaftsabbrüche allgemein unter Strafe. Die Ampelkoalition hat angekündigt, auch ihn einer Prüfung zu unterziehen.
Nach der Debatte werden der Gesetzentwurf und die vorliegenden Anträge am Freitag an den Rechtsauschuss übergeben.