Studenten-Massaker in Mexiko: Flüchtiger Polizeichef geht Ermittlern ins Netz
Mexiko-Stadt - Mehr als zwei Jahre nach der Verschleppung und mutmaßlichen Tötung von 43 Studenten in Mexiko kommt Bewegung in den Fall: Bundespolizisten haben den früheren Polizeichef der Stadt Iguala verhaftet.
Polizeichef nach Fahndung festgenommen
Nach einer gemeinsamen Fahndung von Polizei, Streitkräften und dem Geheimdienst sei Felipe Flores den Einsatzkräften am Freitagmorgen (Ortszeit) in Iguala ins Netz gegangen, teilte die Nationale Sicherheitskommission mit.
Der Polizeichef gilt als einer der Hauptverdächtigen in dem noch immer nicht restlos aufgeklärten Fall. Vor einem Jahr setzte die Generalstaatsanwaltschaft ein Kopfgeld von 2,5 Millionen Pesos (133.000 Euro) auf ihn aus.
Generalstaatsanwältin Arely Gómez begrüßte die Festnahme von Flores. Seine Aussage sei fundamental für die Aufklärung des Falls, schrieb die Chefermittlerin auf Twitter. Ihr Vorgänger Jesús Murillo Karam und der Chef der Ermittlungsgruppe mussten bereits ihre Posten räumen.
Örtliche Polizisten hatten im September 2014 in Iguala im Bundesstaat Guerrero die jungen Männer aus dem linken Lehrerseminar Ayotzinapa verschleppt und sie der kriminellen Organisation Guerreros Unidos übergeben. Bandenmitglieder räumten ein, die Studenten getötet und ihre Leichen verbrannt zu haben.
Erhebliche Zweifel an den Ermittlungsergebnissen
Die Ermittler wollten damals schnell Erfolge vorweisen. Es gab zahlreiche Festnahmen, geständige Täter wurden präsentiert. Alle verschleppten Studenten seien tot, sagte der damalige Generalstaatsanwalt Murillo Karam. „Das ist die historische Wahrheit.“
Experten äußerten zuletzt allerdings erhebliche Zweifel an den offiziellen Ermittlungsergebnissen. Laut mehrerer wissenschaftlicher Untersuchungen ist es physikalisch unmöglich, so viele Leichen in so kurzer Zeit vollständig zu verbrennen. Bislang wurde erst ein Opfer eindeutig anhand von Knochenresten identifiziert.
Mehr als ein Jahr untersuchte eine unabhängige Expertengruppe im Auftrag der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) den Fall. Die Fachleute zeichneten ein erschreckendes Bild von der Zusammenarbeit zwischen Sicherheitskräften und organisiertem Verbrechen. Der Angriff auf die Studenten sei „perfekt koordiniert“ gewesen, hieß es in ihrem Abschlussbericht.
Angehörige haben Vertrauen in Behörden verloren
Immer wieder tauchen neue Verdächtige und Ermittlungsansätze auf. Zunächst hieß es, die Guerreros Unidos hätten die Studenten für Mitglieder einer verfeindeten Bande gehalten. Dann stand die Hypothese im Raum, die jungen Männer hätten unwissentlich einen mit Drogen beladenen Bus gekapert. Einige Handys der Studenten waren offenbar auch noch Tage nach dem Angriff aktiv.
Die Angehörigen der Opfer haben das Vertrauen in die Behörden längst verloren. Für die Regierung von Präsident Enrique Peña Nieto ist der Fall Ayotzinapa ein PR-Desaster. Er will sein Land als attraktiven Wirtschaftsstandort und ernsthaften Partner auf der internationalen Bühne etablieren. Dass es über zwei Jahre nach der Tat noch immer mehr Fragen als Antworten gibt, wirft kein gutes Licht auch Sicherheitskräfte und Justiz. (dpa)