Studie: Nur selten Strafe für Vergewaltiger

Hannover - In den vergangenen 20 Jahren ist einer Studie zufolge der Anteil der Vergewaltigungsanzeigen, die mit einer Bestrafung der Täter endeten, stark gesunken. Wie aus einer am Donnerstag veröffentlichten Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstituts in Hannover hervorgeht, sank diese Quote von 21,6 Prozent aller angezeigten Fälle im Jahr 1994 auf 8,4 Prozent im Jahr 2012. Dies liegt nach Einschätzung der Experten auch daran, dass Vergewaltigungen im sogenannten sozialen Nahbereich häufiger angezeigt werden, aber schwerer nachweisbar sind. Aber auch die Arbeitsüberlastung bei Polizei und Staatsanwaltschaft seien ein Grund.

Als einen Erklärungsansatz nannte das von dem Kriminologen Christian Pfeiffer geleitete Institut auch das veränderte Anzeigeverhalten: Nach einer Gesetzesänderung im Jahr 1998, durch die auch Vergewaltigungen in der Ehe strafbar wurden, habe sich die Anzeigebereitschaft von Frauen in solchen Fällen „stark“ erhöht. Taten in diesem „sozialen Nahraum“ seien aber zugleich sehr viel schwieriger zu belegen. „Daraus ergibt sich ein Beweisproblem“, erklärten die Autoren. Die beschuldigten Männer gäben meist den Geschlechtsverkehr zu, beriefen sich aber darauf, er sei einvernehmlich erfolgt.

Das Institut machte keine Angaben dazu, wie sich die absoluten Zahlen der angezeigten Vergewaltigungen in den vergangenen 20 Jahren entwickelten. Es stellte aber in seiner Analyse von Daten der Bundesländer fest, dass fremde Tatverdächtige 1994 noch einen Anteil von 30 Prozent der aufgeklärten Fälle ausmachten. 2012 waren es nur noch 18 Prozent; der Anteil der „verwandten Tatverdächtigen“ stieg dagegen in diesem Zeitraum von 7,4 auf 27,9 Prozent.

Bei der Überführung solcher Täter kommt es nach Einschätzung des Instituts auch stark darauf an, wie die Polizei die Vernehmungen der betroffenen Frau dokumentiert habe. Sei das Gespräch auf Video oder Tonband aufgezeichnet, dürfe die Chance auf Verurteilung größer sein als wenn nur ein schriftliches Inhaltsprotokoll vorliege, vermuteten die Experten.

Differenzen in den Ermittlungsmethoden seien möglicherweise auch die Ursache dafür, dass die Verurteilungsquote im Bundesländer-Vergleich sehr stark schwanke. Sie liege zwischen 4,1 Prozent und 24,4 Prozent. Angaben zu einzelnen Bundesländern machten die Verfasser nicht. Sie begründeten dies damit, vermeiden zu wollen, dass Frauen sich beeinflussen ließen und in Ländern mit niedriger Quote von einer Anzeige absähen.

Als weiteren möglichen Grund verwiesen die Autoren auf Effekte höchstrichterlicher Rechtsprechung, die in manchen Fällen zu einer engeren Auslegung des Vergewaltigungsparagrafen durch Staatsanwaltschaften und Gerichte geführt hätten. Es „sei zu überprüfen“, ob dies beim Rückgang der Quote eine Rolle spiele, erklärte das Institut.

Insgesamt seien die Befunde für einen Rechtsstaat „problematisch“, lautete das Fazit der Forscher. Vor allem der Unterschied zwischen den Bundesländern erscheine „aus Sicht der Bevölkerung“ beunruhigend. Betroffene Frauen riskierten zudem, „in ihrem sozialen Umfeld aufgrund einer gescheiterten Anzeige als Verliererin oder gar als Lügnerin dazustehen. All dies sollte nicht weiter hingenommen werden“. (dpa/afp)